TITANIC-WORLD
Chinese-take-away begnügen müssen, Cissy. Nach deiner Reaktion ist mir der Appetit gründlich vergangen.“
In seiner Penthaussuite im South Western House stand Craig am Fenster. In seiner Hand hielt er einen doppelten Bourbon. Es war bereits der dritte Drink. Seit er vor einer knappen Stunde nach Hause gekommen war, hatte er zuerst versucht April Eastman anzurufen. Doch die Sky Reporterin befand sich in Florida auf einem Kurzurlaub. Seine zweite Wahl, Mandy Donahue, hatte er gar nicht erreichen können. Frustriert kippte er erst einen, dann noch einen doppelten Bourbon herunter, bevor er sich entschloss, Babette anzurufen. Die war wie immer entzückt gewesen, von ihm zu hören und hatte breitwillig versprochen, gleich nach Feierabend um 23.00 Uhr, zu ihm hoch zu kommen. Dass sie dabei nicht nur ihren guten Ruf, sondern mehr noch ihre Anstellung aufs Spiel setzte, ließ Craig kalt. Babette arbeitete als Kellnerin im Dockgate 4 ; dem exklusiven Restaurant, das in den Räumlichkeiten des Wedgewood Ballsaales untergebracht war und an das Foyer des South Western House angrenzte. Der Inhaber des Restaurants sah es nicht gerne, wenn seine Angestellten zu den Bewohnern der Luxusappartments privaten Kontakt hatten. Zwar stand es nicht ausdrücklich im Arbeitsvertrag, aber bei der Einstellung wurde unmissverständlich aufdieses ungeschriebene Gebot hingewiesen. Craig kümmerten Babettes Sorgen wenig. Ihn störte hauptsächlich ihre, in seinen Augen übertriebene Vorsicht, wenn sie zu ihm kam und er fragte sich auch jetzt nur, wie lange sie wohl heute Abend brauchen würde, um ungesehen zu ihm zu schleichen. Er sah auf die Uhr. Gleich viertel nach zehn. Er kippte den Bourbon in einem Zug hinunter. Als er zur Bar schlenderte, bemerkte er ein leichtes Schwanken beim Gehen. Wenn Babette sich dieses Mal nicht beeilte, würde er sturzbetrunken sein, noch bevor sie kam. Es war ihm egal. Er wollte weder höfliche Konversation betreiben, noch sie mit Komplimenten in sein Bett locken. Er wollte sie ficken; wollte sein Zeug loswerden, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Craig goss sich den vierten doppelten Bourbon ein und setzte sich auf die Couch. Cecilias Abfuhr hatte ihn diesmal zutiefst gekränkt. Er begehrte sie, wie keine andere Frau auf der Welt. Er konnte ihr jeden erdenklich Luxus bieten, von dem die meisten Anderen nur zu träumen wagten – doch sie lehnte ihn mitsamt seinen Millionen ab. Warum?
Sein Blick fiel auf die silberne Zigarettendose, die auf dem schwarzen Marmortisch stand. Nathan hatte verfügt, dass immer eine gefüllte Zigarettendose in der Suite zu stehen habe. Weder ihm noch seinem Neffe stand der Sinn dananch, jedesmal den Concierge losschicken zu müssen, wenn sie Lust auf eine Zigarette verspürten. Craig hatte diese Order insgeheim immer amüsiert. Sein Onkel war ein leidenschaftlicher Zigarrenraucher; er selbst rauchte wenig, und wenn, dann zumeist in angetrunkenem Zustand oder unter Stress. Jetzt nahm er eine Zigarette und zündete sie an. Er verstand Cecilia nicht und ihre abweisende Haltung zermürbte ihn allmählich. Er würde alles tun, um sie zu bekommen; doch zum ersten Mal in all den Jahren beschlich ihn eine Ahnung, dass sie ihn vielleicht wirklich nicht wollte. Der Gedanke, ein möglicherweise unwillkommener, gar lästiger Bewerber zu sein, erfüllte ihn mit Wut. Doch gleichzeitig überkam ihn ein leise triumphierendes Gefühl, als ihm einfiel, dass er Cecilia, unbeabsichtigt zwar, auf eine falsche Fährte gelockt hatte.
Vor mehr als zwölf Jahren hatte er eine Villa im Kolonialstil in der Provinz von Atlanta erworben. Zynisch dachte er jetzt, dass er dieses Haus damals nur gekauft hatte, weil Cecilia die amerikanischen Südstaaten so liebte und einmal scherzeshalber behauptet hatte, sie sei tief in ihrem Herzen eine Konföderierte und würde gerne in einer alten Plantagenvilla leben. Zu diesem Zeitpunkt war ihre kurze Romanze zwar schon lange vorüber gewesen, aber er hatte damals trotzdem noch felsenfest geglaubt, sie würde ihn eines Tages heiraten. Auch wenn ihn das Haus immer an Cecilia erinnerte, so verbrachte er gleichwohl jedes Jahr ein paar Monate dort. Er war seiner alten Heimat – trotz des Jet-Set-Lebens an Onkel Nathans Seite und Luxusappartments in New York, London, Paris und Monaco – tief verwurzelt und genoss die Zeit in der ruhigen Abgeschiedenheit der alten Plantage. Zu seinem vierzigsten Geburtstag hatte sein Onkel ihn just mit jener Deckbank überrascht. Jetzt
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