TITANIC-WORLD
stand sie in dem weitläufigen Garten unter einer alten Zypresse neben einem gepflegten Zierteich. Cecilia wusste nicht, dass sich das seltenste Sammlerstück der TITANIC in seinem Besitz befand. Zu diesem Geburtstag war sie nicht gekommen, weil er damals eine heiße Affaire mit der Tochter eines bekannten Restaurantketten-Besitzers gehabt hatte, die in der Presse weidlich ausgeschlachtet worden war. Cecilia, die weder die reiche Erbin kennen lernen, noch als Exfreundin vorgestellt werden wollte, sagte ihr Kommen kurzerhand ab. Craig war gekränkt und verschwieg ihr absichtlich Onkel Nathans Geschenk. Er empfand eine tiefe Genugtuung darüber, weil Cecilia sich ungeachtet ihres hohen Gehaltes, ein so kostbares Sammlerstück niemals würde leisten können. In seinem Besitz befand sich auch das einzige Überbleibsel des grandiosen Treppenhauses. Dieser Geländerpfosten war gemeinsam mit den Opfern der Katastrophe von der Mackay Bennett geborgen worden. Über Umwege war diese Kostbarkeit in die USA und vor zwanzig Jahren in Onkel Nathans Hände gelangt. Auch davon wusste Cecilia nichts. Aber eines Tages werde ich es ihr unter die Nase halten, dachte Craig angriffslustig. Sie soll nur weiter die Unnahbare spielen. Cissy lebt für ihre Arbeit, aber ohne Onkel Nathans Wohlwollen ist sie – trotz ihrer Fachkenntnis und der Bücher – nur eine Historikerin unter vielen. Ein Wort von mir, Cissy, mein Schatz und du bist erledigt. Also, sieh dich vor und sei schön lieb zum guten Onkel Craig. Bei diesem Gedanken lachte er betrunken auf. Er trank einen weiteren Schluck und drückte die Zigarette linkisch im Aschenbecher aus. Mit einem Mal bedrückt, sah er zu Boden. Die Sensation im Gepäck seines Onkels war selbstverständlich das Logbuch der TITANIC. Außer ihm selbst wussten nur eine handvoll Leute, dass es existierte und – was es enthielt.
Onkel Nathan hat Cissy nie über unsere wahren Absichten in Kenntnis gesetzt, weil er von Anfang an wusste, dass sie, Himmel und Hölle in Bewegung setzen würde, um eine Veröffentlichung zu verhindern. Obwohl ihre eigenen Theorien über den Inhalt des Logbuches, dem tatsächlich Geschriebenen auf schon fast unheimliche Weise ähneln, hätte sie eine Bekanntmachung dennoch abgelehnt. Es würde ihr bis aufs Äußerste widerstrebt haben, die fast schon menschenverachtenden Befehle jener Nacht der Öffentlichkeit preiszugeben. Es ist eine Sache, Vermutungen darüber anzustellen; eine ganz andere, sie beweisen zu können. Ihre Anständigkeit würde ihr verbieten, der Welt die schreckliche Wahrheit zu verkünden.
Nach diesen Überlegungen war sein Ärger über Cecilia verflogen und er fühlte sich mit einem Mal schäbig. Nathan und er hatten eine Frau hintergangen, der sie beide nicht nur Respekt, sondern auch Liebe entgegenbrachten. Denn tief in seinem Innersten glaubte er zu wissen, dass Nathan nur auf Cecilia verzichtet hatte, weil er, Craig, sie liebte.
Craig goss sich noch einen Bourbon ein und zündete sich eine weitere Zigarette an. Er dachte gerade frustriert, dass egal, wohin seine Gedanken auch schweifen mochten, Cecilia immer ein Teil von ihnen war, als sich endlich die Türe öffnete und Babette ins Zimmer huschte.
„Du weißt gar nicht, welche Risiken ich auf mich nehme, wenn ich zu dir komme“, schmollte sie und kam auf ihn zu. Babette – ein hübsches, nichtssagendes Puppengesicht, große babyblaue Augen und weiche Löckchen. Babette – die Sex mit Liebe verwechselte und außer ihrer Niedlichkeit nichts weiter zu bieten hatte. Craig kippte seinen Drink hinunter und drückte die Zigarette aus. Er kniff die Augen zusammen und sagte lallend: „Hör‘ auf zu quatschen und beweg deinen zuckersüßenArsch hierher. – Nach dem Ficken kannst du reden!“
Mittwoch, 18. April 2012
Niedergeschlagen saß Cecilia in ihrem Büro. Craigs Begrüßung am Morgen war allenfalls flüchtig gewesen und seit dem hatte sie ihn nicht mehr gesehen. Obwohl es mit ihrer Konzentration heute nicht gut bestellt war, hatte sie dennoch versucht zu arbeiten. Gegen Mittag entschied sie, dass ihr ein Rundgang durch die TITANICWORLD gut tun und ihre Gedanken in eine andere Richtung lenken würde. Außerdem munterte es sie immer auf, hier und da einige Worte mit den Besuchern zu wechseln. Doch heute lastete eine merkwürdig gedrückte Atmosphäre über der Erlebniswelt. Die meisten, denen Cecilia begegnete, strahlten eine nicht greifbare Traurigkeit aus und die wenigsten schienen an einem Gespräch
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