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Titanus

Titanus

Titel: Titanus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eberhardt del'Antonio
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gewaltsam die Finger geöffnet und ihn in den Raum geschleudert hätte.
Jansen zog ihn heraus und stellte ihn auf die Füße. Er war verärgert. So verständlich ihm Lazzarris unbeholfenes Verhalten war – jetzt einem absoluten Laien jeden Schritt beizubringen, das hielt er für eine Belastung, die sich während der kurzen Vorbereitungsspanne bis zum Start eigentlich kaum verantworten ließ!
Andererseits war er selber nicht bei der Sache. Immer wieder wanderten seine Gedanken auf die Erde und verweilten bei dem Mädchen, das ihn liebte und ihn trotzdem verschmäht hatte. Zwar hatte sich der wilde Schmerz schon gelegt, doch von Zeit zu Zeit überkam ihn eine lähmende Wehmut, gegen die er sich vergeblich wehrte. In solchen Augenblicken übersah er manches, was er Lazzarri hätte erklären müssen, und wurde dann unsanft aus seiner Versunkenheit gerissen, wenn Lazzarri der Tücke der fremden Verhältnisse unterlag.
Als sich Lazzarri umschaute, fuhr ihm kaltes Grauen durch den Leib. Sie standen unter der Erde! Der Erdball schwebte über ihnen als riesige Kugel… Schwarz gähnte der Weltraum, ein dunkles, bodenloses Loch. Nur die Sterne waren da, doch gestochen scharf abgesetzt, ohne verschwimmendes Glitzern.
Er besann sich. Unter der Erde? Nein! Warf man etwas hoch, fiel es zurück zur Erde, also war die Erde immer unten, und sie hingen kopfüber hinunter…
Jansen, durch den Zwischenfall an der Luke aufgeschreckt, legte ihm die Hand auf den Skaphander. »Nicht verblüffen lassen, man gewöhnt sich daran. Kommen Sie zum Nabenrand. Ich zeige Ihnen, wozu wir den Klotz gebrauchen.«
Er tappte voran und trat auf einen Ring über, der um die Nabenplattform herumführte und wie die Nabe stillstand. Lazzarri folgte ihm schwerfällig. Die Sohlen klebten auf dem Stahl wie Fliegenbeine auf einem Leimfänger. Er hörte Jansens Ruf: »Hallo, Leitstelle! Hier Jansen auf der Außennabe. Bitte setzen Sie langsam den Nabenrand in Bewegung!«
Langsam erst, dann immer schneller begann er sich zu drehen. Lazzarri spürte, wie ihn die Fliehkraft nach außen zog.
»So, mein Lieber, und nun zur Raumtaufe! Wir seilen uns jetzt ab zum Außenring. Bei diesem Manöver lernen Sie so ziemlich alles, was Ihnen im Raum begegnen kann. Setzen Sie den Klotz zu Boden und drücken Sie die Taste ein!«
Lazzarri bückte sich und drückte auf die Taste. Ein Ruck ging durch seinen Körper, der Klotz entglitt seinen Fingern und schlug auf den Boden. Dort haftete er unverrückbar, als sei er mit dem Nabenmantel aus einem Stück geschmiedet.
»Ein Magnet?«
Jansen nickte nur. »Hängen Sie den Karabinerhaken der Trommel in die Öse des Klotzes. Auf der Trommel befindet sich eine Drehscheibe. Nach rechts gedreht, löst sich die Bremse, und das Seil läuft aus, nach links dagegen zieht die Bremse an und stoppt das Seil. Drehen Sie weiter, über die Sperre, dann rollt der Motor das Seil wieder ein.«
Verwirrt drehte Lazzarri an der Scheibe – Jansen bemerkte es nicht.
»Nun schalten Sie die Magnetsohlen aus – auf dem inneren Schaltbrett der Magnetschalter.«
Lazzarri zog die Hände aus den Handschuhen zurück und durch die Skaphanderarme in das Innere und legte den Schalter um. Mit einem Schlag rutschten ihm die Füße weg. Mit dem Rücken voran flog er über den Rand der Nabe hinaus. Die Nabe entfernte sich, nur die Speichen der Station drehten sich an ihm vorbei.
Er starrte entsetzt auf das Seil, das aus der Trommel herauslief. Das war ja ein lächerlicher Zwirnsfaden, hauchdünn…
Und hinter ihm die bodenlose Weite, ewige Einsamkeit!
Vor Schreck gelähmt, vermochte er nicht, das Seil zu bremsen. Unverwandt starrte er auf das dünne Kunststoffseil und wartete darauf, daß es zu Ende sei.
Gleich mußte es einen Ruck geben, das Seil würde sich mit schrillem Singen spannen, schließlich reißen – doch nein, hier war ja keine Luft! Es würde reißen, ohne einen Laut, unerbittlich. Und er würde hinausschießen in die Leere, ins Nichts!
Professor Nasarow hob das Glas, deutete eine Verbeugung an und stürzte den Wodka mit einem Zug hinunter.
    Chi Pi-tschin erwiderte die Verbeugung und trank ruhig und gemessen.
Er war hager. Sein Gesicht schien gegerbt, so ledern war die Haut. Der lange, in Fäden aufgelöste Kinnbart betonte ebenso wie das schüttere, weiße Haupthaar die Würde eines Alters, in dem man das Leben zu gut kennt, um noch in Erstaunen zu geraten, in dem man so abgeklärt ist, daß man allen Wechselfällen des Lebens gefaßt gegenübertritt.
Chi

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