TITLE
antwortete uns, ein junger Tragöde, der erst seit zwei Jahren debütiere, aber stets mit dem größten und verdientesten Beifall, werde an diesem Abend zum ersten Male in der Rolle des Titus auftreten. Ich fragte wie er hieße. Sein Name war François Talma. Sir William sah, daß ich über dieses Mißgeschick ganz trostlos war. Er schrieb deshalb sofort an seinen Kollegen, den englischen Gesandten am französischen Hofe, um ihn zu fragen, ob er nicht zufällig eine auf das ganze Jahr gemietete Loge in der Comédie française habe.
Der Gesandte, der wahrscheinlich nicht verheiratet war, oder dessen Frau das Theater nicht liebte, antwortete, er könne zu seinem großen Bedauern Sir Williams Wunsch nicht befriedigen, denn er habe keine Loge. Ich war so außer mir, daß ich Sir William bat, unsern Wirt heraufkommen zu lassen und denselben zu befragen, ob er nicht ein Mittel müßte, wodurch eine Loge oder auch nur Plätze überhaupt, möchten es sein, was für welche es wollten, zu erlangen seien.
»Ich kenne nur ein Mittel,« sagte der Wirt, »und dies besteht darin, daß Sie an Herrn Talma selbst schreiben.« Sir William machte eine verneinende Gebärde. »Talma ist ein vortrefflicher junger Mann,« hob unser Wirt wieder an. »Er verkehrt in der besten Gesellschaft von Paris, ist ausgezeichneter Patriot und wird sicherlich, wenn Sie sich nennen wollen, Mylord, alles, was in seinen Kräften steht, tun, um Ihnen das Vergnügen zu verschaffen, ihn zu sehen.« Sir William drehte sich nach mir herum und wußte nicht, was er tun sollte. Er sah, daß ich die Hände faltete und ihn mit flehendem Blick ansah. »Wohlan,« sagte er, »da du es einmal willst, so soll es geschehen.« Er ergriff die Feder und schrieb: »Sir William Hamilton, Gesandter des Königs von Großbritannien, und seine Gemahlin haben die Ehre, Herrn Talma zu begrüßen und ihm den Wunsch zu erkennen zu geben, ihn heute abend in der Rolle des Titus zu sehen. Alle ihre Bemühungen, sich eine Loge zu verschaffen, sind vergebens gewesen. Sie sehen sich deshalb, selbst auf die Gefahr hin, zudringlich zu erscheinen, genötigt, sich an ihn selbst zu wenden und ihn um zwei Plätze zu bitten, mögen dieselben sein,wo sie wollen, dafern sie nur von einer Dame besucht werden können.«
29. April.«
»Wollen Sie es übernehmen, diesen Brief an Herrn Talma zu befördern?« fragte Sir William unsern Wirt.
»Jawohl, es wird dies durchaus keine Schwierigkeiten machen.«
»Und Sie werden uns die Antwort zustellen lassen?«
»Damit der Auftrag richtig ausgeführt werde,« sagte unser Wirt, »werde ich selbst gehen.« Und ohne unsern Dank abzuwarten, entfernte er sich, indem er den Brief mitnahm. »In der Tat,« murmelte Sir William, als ob er es nur ungern zugestünde, »es läßt sich nicht leugnen, daß das französische Volk ein sehr artiges und höfliches ist. Wie schade, daß es auch ein so leichtsinniges ist!« Sir William war weit entfernt zu ahnen, daß die Franzosen so nahe daran waren, die gute Eigenschaft, wegen welcher er sie lobte, und den Fehler, welchen er ihnen zum Vorwurf machte, abzulegen. Nach Verlauf einer halben Stunde trat unser Wirt mit freudestrahlender Miene wieder ein. Er hielt ein Billett in der Hand.
»Sie haben eine Loge?« rief ich ihm entgegen, als ich ihn erblickte.
»Ja,« sagte er, indem er sein Billett emporhielt. »Hier ist sie.« Ich nahm ihm das Billett aus der Hand. Es standen darauf die Worte geschrieben: »Gut für meine Loge. Talma.« Und darunter: »Eingang der Artisten.« Außer mir vor Freude bemächtigte ich mich des Billetts. »Warte,« sagte Sir William zu mir; »es ist dies noch nicht alles. Titus erzeigt uns die Ehre, uns zu antworten.«
»Ah, lassen Sie sehen.«
Ich las: »Der Bürger Talma bedauert, dem berühmten Sir William Hamilton und Mylady Hamilton bloß seine eigene, auf der Bühne selbst befindliche Loge anbieten zu können. So aber, wie sie ist, offeriert er dieselbe mit dem Ausdruck seiner umfassenden Dankbarkeit dafür, daß man die Gewogenheit gehabt hat, sich seiner zu erinnern. 27. April 1789.« Es versteht sich von selbst, daß wir Schlag halb acht Uhr im Theater waren. Der Schweizer erwartete uns an der Tür, ließ uns quer über die Bühne gehen und führte uns in die Loge. Es war leicht zu sehen, daß der Mann welchem dieselbe gehörte, hier die ganze Koketterie entfaltet hatte, deren ein Künstler fähig ist. Ein großer Spiegel schmückte eine der Wände, die Möbel waren mit
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