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Titel: TITLE Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Dumas
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leuchtet er noch durch die Nacht der Vergangenheit strahlender als meine schönsten Tage. Wir blieben beisammen bis Tagesanbruch, ohne daß jemand von neun Uhr abends bis sechs Uhr morgens ein einziges Mal daran gedacht hätte, die Stunde schlagen zu hören.

42. Kapitel.
    Am drittnächsten Tage, den 30. April, empfingen wir von der englischen Gesandtschaft Billetts, um der Eröffnung oder vielmehr der Prozession der Generalstaaten in Versailles beizuwohnen. Unsere Abreise war auf den Tag nach dieser Zeremonie, das heißt auf den 5. Mai festgesetzt. Wurden die Stände noch einmal vertagt, so wollten wir unsern Weg weiter fortsetzen, denn Sir William hatte nicht die Absicht, seinen Aufenthalt in Paris noch länger auszudehnen.
    Am 3. Mai abends begaben wir uns nach Versailles, um dort zu übernachten. Der englische Gesandte hatte für das halbe Jahr ein Haus dort gemietet, denn er vermutete, daß ganz besonders hier der Puls der Nation schlagen würde, und er hatte uns zwei Zimmer der ersten Etage dieses Hauses eingeräumt, welches in der Straße stand, durch welche die Prozession sich bewegen sollte. Wir gingen zuerst in eine Tribüne, um die Heiligegeist-Messe zu hören. Ich weiß nicht, ob viele der Anwesenden an die Worte der heiligen Schrift dachten: »Du wirst Völker schaffen, und das Antlitz der Erde wird sich erneuen.« Kurz vor Beendigung des Veni Creator gingen wir fort, um auf der Straße der Prozession unsere Plätze einzunehmen. Die mit französischen und Schweizergarden besetzten und mit Teppichen belegten breiten Straßen von Versailles vermochten kaum die zahllose Menge zu fassen. Ganz Paris war in Versailles. Die Türen, die Fenster, die Dächer und sogar die Bäume waren mit Zuschauern besetzt. Die mit hellfarbigen Stoffen und wertvollen Shawls bedeckten Balkons dienten den mit Feder und Blumen geschmückten Frauen als Logen. Es war, als ob in dem Augenblick, wo man sich in die Arena desBürgerkrieges zu stürzen im Begriff stand, die Frauen, die von dem harten Gesetz der Gleichheit getroffen werden sollten, diese Gelegenheit benutzt hätten, um sich noch einmal in ihrer ganzen Toilette und in ihrem vollen Glanz zu zeigen.
    Es war augenscheinlich, daß etwas Großes begann. Was war wohl das Resultat davon? Das wußte noch kein Mensch. Zuerst sahen wir am Ende der Straße eine schwarze Masse erscheinen. Dies war der dritte Stand. Fünfhundertfünfzig Deputierte, darunter dreihundert Advokaten, Magistratspersonen, lauter oder beinahe lauter unbekannte Namen, mit Ausnahme eines einzigen, der sich durch seine Skandalgeschichten bekannt gemacht. Soll ich freimütig sein wie immer? Es war dies der, den ich vor allen andern zu sehen gekommen war: Honoré Riquetti de Mirabeau. Frankreich und das Ausland hatten bereits von seinem Namen widergehallt. Seine Liebschaften, seine Entführungen, seine Gefangenschaften bildeten einen ergreifenderen und furchtbareren Roman als irgendeiner der von der Phantasie der Dichter geträumten.
    Ich hatte nur eine Frage: »Wo ist Mirabeau?«
    Man zeigte mir ihn. Von weitem sah ich zurückgeworfen jenes gebieterische Haupt, durch überwältigende Häßlichkeit gekennzeichnet und nach Art der Löwen einen Wald von Haaren schüttelnd. Er war die Gesellschaft einer ganzen Epoche in einem einzigen Menschen vereinigt. Ich sage ausdrücklich in einem Menschen, denn die andern schienen neben ihm nur Schatten zu sein. Ich folgte ihm mit den Augen, so lange ich ihm folgen konnte. Sein Erscheinen oder vielmehr das des ganzen dritten Standes erweckte einen Sturm von Beifallsbezeigungen und Bravorufen, welcher aufhörte, als der Adel erschien. Ganz im Gegensatz zum dritten Stande, der sich durch die Einfachheit und Gleichförmigkeit seiner Kleidung ausgezeichnet, bot der ganz in Samt und Seide gekleidete Adel eine Zusammenstellung der lebhaftesten Farben dar, die durch die prachtvollsten Stickereien noch mehr hervorgehoben wurden. Ich erkundigte mich nach dem Namen von etwa zwanzig dieser berühmten »Ofeurs«, aber keiner von allen diesen Namen war mir bekannt. Man zeigte mir Lafayette, den Helden Amerikas. Ich erwartete eine jener kräftigen Naturen zu sehen, welche von der Vorsehung berufen sind, mit ihrer Feder, mit ihrer Stimme oder mit ihrem Degen die großen Prinzipien aufrecht zu erhalten. Ich sah aber bloß einen schlanken, bleichen oder vielmehr blonden undrosenwangigen jungen Mann, der durch nichts die Rolle verriet, welche er in der Vergangenheit gespielt, am allerwenigsten

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