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obgleich ich eine Königin bin, habe ein Herz gehabt.« Die Karoline von jetzt aber hat nicht mehr Zeit, an die Vergangenheit zu denken, sie muß für die Zukunftkämpfen. Was ist ein nach Sizilien verbannter Geliebter neben einer in Frankreich eingekerkerten Schwester, neben einem Bruder, der bereits mit einem Fuße auf den Stufen des Schafotts steht? Jetzt handelt es sich nicht um Glück, nicht um Poesie, nicht um Liebe! Es handelt sich um das Leben! Es gibt kein Tier, vom Adler bis zur Taube, welches sein Nest nicht verteidigte und nicht für seine Jungen kämpfte. Den umbringen, der uns umbringen will, ist keine Rache, sondern Instinkt der Selbsterhaltung. Wenn auch bei uns Vergniauds, Petions und Robespierres erstehen, so werden wir nicht warten, bis sie einen 20. Juni und einen 10. August herbeiführen, sondern wir werden ihnen eine Bartholomäusnacht bereiten. Die Valois haben die Bourbons gelehrt, daß es besser ist vom Louvre auf die Straße herab, als von der Straße in den Louvre hinaufschießen zu lassen. Man möge mich Madame Veto oder Madame Defizit , oder wie man sonst will, nennen, niemals aber wird man mich Jane Gray oder Maria Stuart nennen.«
»Gott bewahre uns vor einem solchen Unglück!« sagte eine Stimme hinter uns. Die Königin und ich drehten uns schnell herum und standen einem Manne gegenüber, den man an seinem eher priesterlichen als laienhaften Gewande leicht als einen Würdenträger der Kirche erkannte. Ich sah an dem Blick der Königin, daß sie den Fremden nicht kannte, der so kühn gewesen, uns einzuholen und sich in unser Gespräch zu mischen. Ich aber erkannte ihn und rief: »Monsignore Fabrizio Ruffo!« – »Da Lady Hamilton mir die Gnade, erweist, mich zu erkennen, würde sie mir dann wohl auch eine zweite Gnade zur ersten gesellen, indem sie mich der Königin vorstellt, zu welcher ich übrigens vom König gesandt worden?« – Ich blickte die Königin fragend an. Als sie hörte, wie ich den Liebling des Papstes Pius VI. nannte, mit welchem, wie ich schon erwähnt habe, der Hof von Neapel auf dem besten Fuße stand, hatte ihr Gesicht einen Ausdruck von Wohlwollen angenommen, der mir erlaubte, den Wünschen des edlen Prälaten nachzukommen. – »Madame,« sagte ich, »gestatten Sie, daß ich auf den soeben ausgesprochenen Wunsch des Herrn die Ehre habe, Euer Majestät Monsignore Fabrizzio Ruffo, Schatzmeister Seiner Heiligkeit vorzustellen.« – »Madame,« sagte der Prälat, indem er sich verneigte, »gestatten Sie mir, daß ich, indem ich Lady Hamilton für ihre Güte danke, zugleich zwei kleine Irrtümer, die sie begangen und auch begehen mußte, berichtige.Ich bin nicht mehr Schatzmeister, ich bin Kardinal.« – »Ich gratuliere Ihnen dazu, mein Herr,« sagte die Königin. »Haben Eure Eminenz mir aber nicht gesagt, daß der König Sie gesandt?« – »Ja, das habe ich gesagt, Madame, und Seine Majestät der König wäre selbst mit mir nach Caserta gekommen, hätte er nicht eine Eberjagd in den Wäldern am See Fusaro abhalten müssen, da es ihm unmöglich war, dieselbe aufzuschieben.« – »Daran erkenne ich meinen erhabenen Gatten,« sagte die Königin lächelnd. »Deswegen aber sind Sie mir nicht weniger willkommen, besonders wenn Sie mir eine gute Nachricht bringen.« – »Ich bringe Ihnen wenigstens eine große, Madame, eine Nachricht, welche die schlimmsten Folgen nach sich ziehen kann. Der Gesandte der französischen Republik zu Rom, der Bürger Basseville, ist soeben bei einem Aufstand ermordet worden.« – Die Königin schauderte.
»Das ist allerdings eine große Nachricht, die Sie mir da bringen! Und wie ist die Sache denn zugegangen?« – »Ew. Majestät weiß doch, daß der französische Admiral, als er seinen Gesandten, den Bürger Mackau, mit an den Hof von Neapel nahm, zugleich auch den Gesandten am römischen Hofe, den Bürger Basseville bei sich an Bord hatte?« – Der Kardinal betonte das zweimal wiederholte Wort Bürger , so daß, dank der Art und Weise, in der er es aussprach, nichts Unangenehmes für das Ohr der Königin darin lag. So ließ sie denn diesen ersten Satz an sich vorübergehen, indem ihr Gesicht keinen anderen Ausdruck als ein verächtliches Lächeln annahm und sie dem Kardinal andeutete, daß sie ihn hörte. Der Kardinal fuhr fort: »Die Nachricht hatte große Aufregung verursacht und sich bis in unsere Provinzen verbreitet. Ich brauche Ihnen nicht zu sagen, Madame, in welchem Lichte unsere würdigen Priester ihren Beichtkindern auf
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