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bis drei Monate, ohne daß der Kardinal Ruffo irgend eine offizielle Stellung am Hofe erhielt. Marie Karoline ließ sich jetzt nicht im entferntesten träumen, welchen Dienst ihr derselbe Kardinal, den sie jetzt von militärischen Angelegenheiten fernhielt, sechs Jahre später als Soldat erweisen würde! Der König aber, welcher, wie ich bereits gesagt habe, eine große Sympathie für Se. Eminenz empfand, wollte dem Kardinal endlich einen Beweis dieser Sympathie geben, nur wies er ihm, wie er so gern den Spott zu seiner Gnade gesellte, einen Posten an, der gewiß am wenigsten für einen Diener der Kirche paßte. Er ernannte ihn nämlich zum Inspektor seiner Kolonie in San-Leucio.
Ich möchte hier auf einige Einzelheiten in bezug auf diese Kolonie von San-Leucio eingehen, von der ich in einem früheren Kapitel dieser Memoiren nur einen kurzen Begriff gegeben habe. Die Sache ist ziemlich schwer zu sagen, allein es tut nichts. Ich habe bereits schon so viele schwere Dinge gesagt, und habe deren noch so viele zu erzählen, daß damit zu zögern, lächerlich sein würde. Überdies werde ich den König Ferdinand selbst sprechen lassen, und jeder wird dann selbst entscheiden können, ob Gutherzigkeit, Heuchelei oder Zynismus ihn bewogen, über seine Schöpfung, die Kolonie von San-Leucio, einen ländlichen Harem, wo er nicht weniger Sultan war, als der Sultan in dem seinigen, Rechenschaft zu geben. Ich folge hier dem Originalmanuskripte des Königs, welches mir die Königin Karoline an einem ihrer heiteren oder verächtlichenTage mitteilte und welches betitelt war: »Ursprung und Fortschritt der Bevölkerung von Leucio.«
»Da einer meiner lebhaftesten Wünsche,« sagte Ferdinand in dieser Schrift, »stets der gewesen war, einen angenehmen und vom Geräusch des Hofes entfernten Ort zu finden, wo ich die wenigen Mußestunden, die mir die ernsten Regierungsgeschäfte lassen, nützlich anwenden könnte, und da das herrliche Caserta und der prachtvolle Palast, den mein Vater begonnen hat und den ich vollendet habe, nicht die Stille und Einsamkeit bieten, die zum Nachdenken und zur Ruhe des Geistes erforderlich sind, sondern vielmehr, um sozusagen, eine zweite Hauptstadt inmitten des Landes bilden, wo dieselbe Pracht und derselbe Luxus wie in Neapel mich umlagern, so beschloß ich, mir in dem Park von Caserta einen einsameren Ort zu wählen, wo ich völlig mir selbst leben könnte, und meine Wahl fiel auf San-Leucio.« Man wird sogleich sehen, was der König Ferdinand unter Nachdenken und Ruhe des Geistes verstand. »Nachdem ich daher 1773 den Wald mit einer Mauer hatte umgeben lassen, innerhalb welcher der Weinberg und das alte Kasino der Prinzen von Caserta, welches das Belvedere hieß, lagen, ließ ich auf einer kleinen Anhöhe einen kleinen Pavillon einzig und allein zu meiner Bequemlichkeit auf der Jagd bauen. Außerdem ließ ich auch, so gut es eben ging, ein altes, halb verfallenes Haus ausbessern, auch einige neue Häuser bauen und berief fünf oder sechs Individuen, welche zu der Bewachung des Waldes und des besagten Pavillons dienten, auf die Weinpflanzungen und die Ländereien, welche innerhalb der Ringmauer lagen. 1776 ward der Salon des alten Kasinos in eine Kirche verwandelt und diese Kirche zur Bequemlichkeit der Bewohner, die sich täglich vermehrten und bald die Zahl von siebzehn Familien erreichten, zum Kirchspiel erhoben. So ward es denn wegen der vielen Bewohner nötig, noch mehr Häuser zu bauen.« Der König fährt fort: »Als der Pavillon vergrößert worden, fing ich an daselbst zu wohnen und den Winter dort zuzubringen; da ich aber das Unglück hatte, mein erstes Kind zu verlieren und deswegen mich nur vorübergehend dort aufhielt, so beschloß ich einen nützlicheren Gebrauch von dieser Wohnung zu machen. Da die Bewohner, von denen ich gesprochen, mit vierzehn andern Familien, die sich zu ihnen gesellt, die Zahl von vierunddreißig Köpfen erreicht hatten – dank der Fruchtbarkeit, welche durch die Reinheit der Luftund die Ruhe und den häuslichen Frieden, in dem sie lebten, herbeigeführt ward – so fürchtete ich, daß so viel Säuglinge, welche sich tagtäglich vermehrten, in Zukunft infolge ihrer mangelhaften Erziehung eine gefährliche Gesellschaft von Wüstlingen und Bösewichtern werden könnten, und wollte ein Erziehungshaus für Kinder beiderlei Geschlechts gründen, wozu ich meinen Jagdpavillon benutzte. So fing ich denn an, Regeln aufzusetzen und geschickte und geeignete Personen für die
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