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von England, war, und daß es von Toulon kam. Das wenige, was man soeben erfahren, war soviel, daß der König und Sir William es nicht erwarten konnten, die Nachrichten, welche das Schiff brachte, zu hören, und dieselben daher selbst holen wollten. Beide stiegen in ein Boot der königlichen Marine und alle Gesundheitsrücksichten verachtend begaben sie sich an Bord. Kaum waren sie daselbst angelangt, als man eine Ehrensalve abfeuerte und der »Agamemnon« in einer Rauchwolke verschwand.Nach Ablauf einer halben Stunde kamen der König und Sir William wieder ans Land zurück. Sir William hatte sich sogleich in das Gesandtschaftshotel begeben, und ließ mir sagen, zu ihm zu kommen, da er meiner bei dem Empfang eines unerwarteten Gastes bedürfte. Ich überließ es dem König, der Königin die Nachrichten mitzuteilen, die zu erfahren, sie so begierig war, und da ich dachte, daß Sir William alles ebensogut wie der König wissen würde, da er bei der Unterredung des Königs mit dem Kapitän des »Agamemnon« als Dolmetsch gedient, so nahm ich Abschied von der Königin und stieg in den Wagen, indem ich dem Kutscher befahl, nach dem Hotel zu fahren. Sir William erwartete mich.
»Liebe Emma,« sagte er, als er mich erblickte, »ich werde dir bald einen kleinen Mann vorstellen, der sich nicht rühmen kann, schön zu sein, der meiner Meinung nach aber eines Tages einer der größten Kriegshelden sein wird, die England jemals besessen.« Ich mußte über Sir Williams Enthusiasmus lachen. »Und woher weißt du das?« fragte ich. – »Aus den wenigen Worten, die wir miteinander gewechselt haben, und ich wollte wetten, daß dieser Mann die Welt in Erstaunen setzen wird. Du weißt, daß ich nie einen englischen Offizier bei mir habe empfangen wollen, aber ich bitte dich, diesem gegenüber aus Liebe zu mir diese Honneurs des Hauses zu machen. Gib also deine Befehle, daß man ein Zimmer für ihn bereit halte, und daß es ihm an nichts fehle.« – »Und wann kommt denn dein zukünftiger großer Mann?« fragte ich. – »Er muß jeden Augenblick kommen. Wir dinieren alle zusammen bei dem König und morgen werden wir alle den ganzen Tag in Portici verbringen.« – »Du kannst mir aber wenigstens sagen, wie dein Held heißt.« – »Horace Nelson, liebe Freundin. Vergiß diesen Namen nicht; er wird einmal berühmt werden.« – Ich hatte keine Bemerkung zu machen und machte auch keine.
Das Gesandtschaftshotel war ungeheuer groß. Vor einiger Zeit war das Gerücht gegangen, daß der Prinz von Wales – derselbe Prinz, den ich eines Abends durch die offenen Fenster bei Miß Arabella im vollen Glanze der Jugend und Liebe gesehen – nach Neapel kommen würde und bei dieser Nachricht hatte Sir William eiligst ein Zimmer für ihn herrichten lassen. Der Prinz war aber nicht gekommen, dies Zimmer war zum Empfang eines Prinzen bereit geblieben und ich dachte, daß es weder zu gut, noch zu schön für den zukünftigen großen Mann Sir Williams sei. Ichbestimmte also das Zimmer des Prinzen von Wales für den Kapitän Nelson. Der Zufall wollte, daß eines der schönsten Bilder, die Romney von mir gefertigt, sich in diesem Zimmer befand. Als ich wieder in den Salon trat, war Sir William nicht mehr allein. Ein Offizier, der die Uniform der englischen Marine trug, war bei ihm. Sobald ich eintrat, erhoben sich beide und kamen auf mich zu. Sir William stellte mir den Kapitän Nelson vor. Wenn man an Ahnungen glauben dürfte, so würde ich hier erwähnen, daß ich, sei es infolge instinktiver Anziehung oder infolge der Eingenommenheit, die sich meiner nach dem, was Sir William mir mitgeteilt, bemächtigt, eine gewisse Bewegung empfand, als ich den Gruß des Kapitän Nelson erwiderte. Dennoch war, wie Sir William mir erzählt hatte, der Kapitän Nelson weit entfernt, ein schöner Mann zu sein. Achtzehn Jahre sind seitdem verflossen und doch sehe ich ihn gerade noch so vor mir, wie an dem Tage, wo er mir vorgestellt ward und wo der Krieg ihn noch mit den Verstümmelungen verschont hatte, die er später erlitt.
Nelson war ein Mann von fünfunddreißig Jahren, von kleiner Statur mit bleichem Gesicht, blauen Augen, einer Habichtsnase, wie sie das Profil der Männer des Krieges auszeichnet, und mit dem scharfausgeprägten Kinn, welches bis zur Hartnäckigkeit gesteigerte Zähigkeit andeutet. Sein Haar und Bart waren rotblond, das Haar dünn der Bart schlecht gewachsen. Nelson küßte mir die Hand ziemlich linkisch, aber ziemlich galant. Es war leicht,
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