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geringer sein; nie aber habe ich daran gedacht, daß man mir eines Morgens sagen würde: ›Das Heil eines Königreiches hängt von dir ab‹, so daß ich in dem Augenblicke, wo mir diese ernste Mission zuerteilt wird, zögere und nicht die Kraft zur Erfüllung derselben in mir fühle.«
Die Königin faßte meine Hand und drückte dieselbe, als ob sie mir ihre Kraft durch eine Art magnetischer Leitung mitteilen wollte. Und wirklich fühlte ich mich gestärkt, ja beinahe begeistert, so lange sie meine Hand hielt. Wir ruderten so fort und befanden uns endlich dem »Vanguard« dicht gegenüber. Ich sah und hörte nicht mehr, ich befand mich fast in einem ebensolchen Zustande, wie den, in den mich Doktor Graham während der Ausstellung auf dem Apollobett zu versetzen wußte. Ich verstand, daß die Königin michaufforderte, mich zu erheben; ich fühlte, daß sie mich nach der Schiffstreppe schob. Mechanisch und ohne zu bemerken, daß ich voranging, was doch gegen alle Etikette war, faßte ich das Geländer und stieg hinauf. Oben an der Treppe wartete Nelson mit gezogenem Hute. Hier gewann ich das Leben wieder, hier befand ich mich wieder dem Manne gegenüber, den ich seit seiner Reise von Toulon nach Neapel nicht gesehen. Seitdem hatte er ein Auge und einen Arm verloren, eine schwarze Binde bedeckte seine Stirn und verbarg seine letzte Wunde. Ich sah diese ganze Gesamtheit von Verstümmelungen, ein unermeßliches Gefühl des Mitleids bemächtigte sich meiner, ich kannte nur eine Belohnung, die des Helden würdig war, der vor mir stand, ich breitete die Arme aus und sank an sein Herz, indem ich ausrief: »O mein Gott, ist es möglich! – Teurer großer Nelson!« Ich war nahe daran, ohnmächtig zu werden, zum Glück aber stürzten Ströme von Tränen aus meinen Augen und Schluchzen erleichterte mein Herz, sonst wäre ich erstickt. Von diesem Augenblicke an gehörte ich Nelson so vollständig an, als wenn er mich bereits besessen hätte. Das war mehr als Resignation, mehr als Hingabe, mehr als Liebe, es war Verhängnis!
79. Kapitel.
Der König und die Königin bestiegen nach mir den »Vanguard« und fanden mich in dem bereits geschilderten Zustande an Nelsons Brust, von seinem einzigen Arm gestützt. Sein Hut war auf das Deck gefallen und in der Ekstase seines Glückes blickte er mit rückwärtsgeneigtem Haupte gen Himmel. Endlich brachten ihn die Hurras der auf den Raaen stehenden Matrosen wieder zu sich; er wendete den Blick wieder der Erde zu und sah nun, was um ihn her vorging. Um ihn herum standen der König, die Königin, die Minister und die Höflinge, die alle gekommen waren, um dem Helden von Abukir zu huldigen, wie sie dem Siegesgotte selbst gehuldigt haben würden. Der König hielt einen prachtvollen Degen in der Hand, der reich mit Diamanten besetzt war und der einen materiellen Wert von fünftausend Pfund Sterling hatte, jedoch außerdem noch von unberechenbarem historischen Werte war. Es war dies nämlich der Degen, den Ludwig der Vierzehnte, Philipp dem Fünftem bei seiner Abreise nach Spanien gegebenhatte und den dieser wieder seinem Sohne schenkte, als dieser nach Neapel ging. Als der König Philipp der Fünfte den Degen seinem Sohne Don Carlos gab, sagte er: »Dieser Degen gehört dem Eroberer des Königreichs Neapel,« und als Don Carlos ihn seinem Sohne vermachte, hatte er gesagt: »Dieser Degen gehört dem Verteidiger des Reiches, das ich dir erobert habe.« Ferdinand betrachtete jetzt Nelson als den Erretter des Königreiches und gab ihm das prachtvolle Erbstück, das von seinem Großvater und seinem Vater auf ihn gekommen war. Die Königin überreichte ihrerseits dem verstümmelten Helden das Patent eines Herzogs von Bronte. Es war dies eine feine Schmeichelei, da Bronte einer der drei Zyklopen war, die den Donner schmieden, und die Königin nannte ihn in Wirklichkeit auch den Herzog vom Donner. Mit dieser Herzogswürde war ein Einkommen von dreitausend Pfund Sterling verbunden. Außerdem teilte der König Nelson mit, daß er die Absicht habe, einen militärischen Verdienstorden zum heiligen Ferdinand zu stiften, und versprach ihm den ersten Grad dieses Ordens, der nach den Familienpatenten verteilt werden würde. Damit die vornehmen Gäste bequem an Bord steigen könnten, hatte der »Vanguard« beigelegt. Ich glaubte, daß es für Nelson die angenehmste Schmeichelei sein müßte, wenn wir ihn bäten, uns die Narben seines Schiffes, das nicht weniger verstümmelt war, als er, zu zeigen. Denn
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