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TITLE

Titel: TITLE Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Dumas
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dadurch ward er genötigt, uns die Schlacht zu erzählen und demnach auch von sich zu sprechen. Natürlich begannen wir mit der Kajüte des Admirals. Kaum hatten wir dieselbe betreten, als ein kleiner Vogel, eine Art Feigenschnepfe, zum Fenster hereinflog und sich auf Nelsons Schulter setzte. Eben wollte ich, erstaunt über die Zutraulichkeit dieses neuen Gastes, Nelson fragen, als dieser einen Freudenschrei ausstieß.
    »O,« sagte er, »sei mir willkommen, und heute mehr denn je, mein reizender Begleiter!« Und er nahm den kleinen Vogel in die Hand, küßte ihn und reichte ihn mir zum Kusse, worauf er ihn wieder auf seine Schulter setzte, wo er ganz ruhig sitzen blieb, ohne sich durch unsere Gegenwart stören zu lassen. Was Nelson soeben gesagt, erregte den lebhaften Wunsch in mir, etwas Näheres über das reizende kleine Tier zu erfahren, welches gekommen zu sein schien, um dem Sieger vom Nil seine Glückwünsche darzubringen. Dieselbe Neugierde bemerkte ich auch in den Augen der Königin, des Königs und in denen aller Umstehenden. »So hören Sie denn, was ich Ihnen sagen werde,« hob Nelson an, »und halten Sie esnicht für ein Weihnachtsmärchen. Dieser kleine Vogel ist mein guter Genius!« – »Inwiefern, Mylord?« fragte ich. – »Die Alten kämpften nicht, ohne die Wahrsager zu befragen, versichert man uns. Auch ich sollte nie kämpfen, ohne meinen kleinen Vogel zu befragen, denn er ist mein Prophet.« – »O erzählen Sie uns die Geschichte, Mylord!« sagte die Königin. – »Ich weiß wirklich nicht, ob es der Mühe wert ist, eine solche Kinderei Euer Majestät zu erzählen,« sagte Nelson. – »O ja, ja,« riefen wir, die Königin und ich, gleichzeitig. – »Nun, Madame, nun, Mylady, in was für einem Lande der Erde ich mich auch befinde, so kommt stets, wenn mir ein Glück bevorsteht, ein solcher Vogel – ich will nicht behaupten, daß es stets derselbe ist – und setzt sich auf meine Schulter. Wenn mir jedoch ein Unglück bevorsteht, so verschwindet er. Zum ersten Male sah ich ihn in Nordamerika und zwar in Kanada. Von vier französischen Fregatten verfolgt, wußte ich keinen anderen Ausweg, als eine bis dahin für unzugänglich gehaltene Durchfahrt zu passieren. Der Vogel setzte sich auf meine Schulter. Ich lenkte meine Brigg durch die Felsen und kam glücklich durch. Hierauf flog der Vogel fort. ... Vor fünf Jahren kam ich von Toulon nach Neapel. Ich kreuzte den Kanal von Ischia, stand auf dem Deck und der Vogel setzte sich auf meine Schulter. Am folgenden Morgen hatte Seine Majestät der König die Gnade, mich wie einen Freund zu empfangen und Sir William nahm mich auf wie einen Sohn. Die Königin reichte mir die Hand zum Kusse, und Sie, Mylady, sagten zu mir: ›Dieses Haus ist das Ihrige,‹ indem Sie mir ein Zimmer im Gesandtschaftshotel zur Verfügung stellten. ... Bei der Belagerung von Calvi, wo ich ein Auge verlor, und bei der Belagerung von Teneriffa, wo ich einen Arm verlor, habe ich meinen kleinen Propheten nicht gesehen. Am Morgen von Abukir aber setzte er sich wieder auf meine Schulter, und jetzt ist er abermals da. Er ist zugleich mit Ihnen in die Kajüte gekommen. So kann ich diesen Vogel denn mit Recht meinen guten Genius nennen. Wenn ich ihn am Vorabend einer Schlacht nicht wiedersehe, so werde ich mein Testament machen, denn der nächste Tag wird dann wahrscheinlich mein letzter sein. ... Verzeihen Sie aber, daß ich Ihnen eine solche Torheit erzählt habe! Sie wissen ja, Madame, daß die Seeleute ihren Aberglauben haben; mein lieber, kleiner Vogel ist mein Aberglaube, und mehr als je werde ich von nun an daran festhalten.«
    »Und niemals hat er sich auf die Schultern eines andern, alsauf die Ihrigen gesetzt?« fragte ich Nelson. –»Niemals.«– »Niemals hat er sich von einer andern Hand als der Ihrigen angreifen lassen?« – »Niemals – Sie müßten es aber versuchen.« Ich streckte die Hand aus, der Vogel ließ sich fassen. Ich weiß nicht, warum ich so erfreut war, etwas mit diesem Helden gemein zu haben. Ich ließ den Vogel los und er setzte sich wieder auf Nelsons Schulter. »Ah, Madame,« sagte ich zur Königin, »versuchen Sie es doch auch einmal.« – Die Königin streckte die Hand aus, der Vogel tat jedoch einen leisen Schreckensruf, flog nach dem Fenster und verschwand. Nelson hielt meine Hand und drückte sie. Ich konnte nicht umhin, diesen Druck zu erwidern.
    Dieser Zwischenfall, an den ich seitdem so oft gedacht habe, lenkte uns eine Zeitlang von dem

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