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TITLE

Titel: TITLE Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Dumas
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betrat ich einen abschüssigen Pfad, der mir immer angenehmer, immer blumenreicher vorkam. Das Leben erschien mir in der Gestalt eines schönen, wie der Frühling mit Blumen bekränzten Jünglings. Ich ergriff den dargebotenen Arm dieses falschen Beschützers und stützte mich darauf, ohne zu wissen, welchem Ziele wir entgegengingen und in welchen Morast oder in welche dürre Wüste er mich führen würde. Übrigens, und ich darf dies nicht verschweigen, hat eine der guten oder schlimmen Eigenschaften meiner Veranlagung darin bestanden, daß ich immer in der Gegenwart gelebt habe. Diese Gegenwart war, mit der Vergangenheit verglichen, zu der Zeit, von welcher ich jetzt spreche, ein Leben materieller Genüsse, die hoch über den sechzehn Jahren standen, die ich bis jetzt durchlebt. Die Welt, die mich nicht kannte, machte mir keine Vorwürfe und ich selbst machte mir auch keine. Alles trieb mich daher zum Vergessen der Vergangenheit, zur Sorglosigkeit in bezug auf die Zukunft. Es war mir als hätte ich, so lange meine Schönheit dauerte, von der Unbeständigkeit des Glücks nichts zu fürchten, und indem ich an mein jugendliches Alter dachte und mich in meinem Spiegel betrachtete, sagte ich, daß ich, Gott sei Dank, noch lange schön zu sein hätte.
    Man erinnert sich, daß Sir John Payne auf zwei Monat Urlaub genommen, und daß er diese zwei Monate ausschließlich mir widmen wollte. Nachdem ihm dieser Urlaub erteilt worden,fragte er mich, wo ich hinzugehen, was ich vorzunehmen wünschte. Ich stellte die Wahl ganz ihm anheim. Ich kannte ja nichts außerhalb des Zirkels, in welchem ich bis jetzt gelebt. Ich wünschte nichts, sondern fühlte bloß einen unwiderstehlichen Zug nach dem Unbekannten. Sir John entschied, daß wir nach Frankreich gingen. Ich klatschte vor Freuden in die Hände. Ich hatte viel von Frankreich sprechen hören, aber es war mir nie eingefallen, daß ich dieses Land selbst zu sehen bekommen könnte. Ich verstand nicht Französisch, Sir John aber redete diese Sprache ganz geläufig und konnte mir alles, was ich nicht selbst verstand, übersetzen. Wir brachen auf. Jener Drang nach dem Unbekannten war die Krankheit jener Zeit, und ich, das winzige Atom, ward von dem Strudel mit fortgerissen.
    Es gibt Momente, wo die Nationen ihrer selbst überdrüssig und von der Wirklichkeit ermüdet, sich in den Traum flüchten und nicht bloß nach dem trachten, was nicht ist, sondern auch nach dem, was nicht sein kann.
    So unwissend ich auch war, so berührte mich doch jener Hang Frankreichs zu dem Unmöglichen auf seltsame Weise. Not und Armut waren hier groß, der Luxus aber war noch größer. Die Fürsten und großen Herren ruinierten sich mit einem Eifer und mit einer Sorglosigkeit, welche nicht schlimmer hätte sein können, selbst wenn sie den Vulkan gekannt hätten, auf welchem die Gesellschaft damals einherwandelte. Aber was fragte man darnach? Der Kardinal von Rohan suchte den Stein der Weisen; Cagliostro hatte, wie man versicherte, das Lebenselexier entdeckt; Mesmer die Heilung aller Krankheiten durch den Magnetismus; Franklin hatte den Blitz besiegt und führte ihn gefangen auf einem Drahte in die Tiefen der Erde; und Montgolfier stellte eine neue Straße in den unendlichen Räumen des Himmels in Aussicht. Die alte Welt konnte immerhin in den Abgrund versinken, eine neue tauchte empor.
    Diese beiden Monate vergingen für mich in einem ununterbrochenen Taumel. Sir John hatte die schönsten Pferde, die schönsten Wagen, die ersten und besten Logen in allen Theatern. Ich sah Lekain, ich sah Mademoiselle Raucourt, Orosman, Athalia, Britannicus, ich hörte die »Ihpigenia in Tauris« von Gluck und die »Dido« von Piccini. Greuza, der Maler der Unschuld, fertigte mein Porträt und überall, wohin ich kam, wiederholte mir ein bezauberndes Murmeln, daß ich schön sei. Ich fühlte mich soglücklich, daß Sir John eine Verlängerung seines Urlaubs um einen Monat zu erbitten wagte; man gewährte ihm diese Verlängerung, sagte ihm aber zugleich, daß er nach Ablauf dieses Monats sich zur Verfügung der Regierung bereit zu halten habe. Der Krieg mit Amerika ward immer erbitterter, Frankreich drohte sich daran zu beteiligen, und England fühlte aller Wahrscheinlichkeit nach sehr bald das Bedürfnis, jenseits des atlantischen Meeres einen großen Schlag zu führen. Sir John hütete, als er mir die Verlängerung seines Urlaubs mitteilte, sich wohl, mir etwas von der ihm dabei gestellten Bedingung zu sagen. Er wollte

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