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auszuruhen; dann begannen wir Schottland zu besuchen. Wenn ich eine Prinzessin von königlichem Geblüt gewesen wäre, so hätte Lord Greenville mir nicht mit zarterer Aufmerksamkeit begegnen können, als er es tat. Meine Reise mit ihm war ein geschichtlicher Kursus, in welchem ich die Sagen vonWallace und Robert Bruce, von Montrose und von Charles Edward hörte. Ich sah das Zimmer, in welchem Rizzio ermordet, und das Schloß, in welchem Maria Stuart gefangen gehalten ward. Die vier Wochen vergingen sehr rasch und wir kehrten nach London zurück. In unserer Abwesenheit, hatte Lord Greenvilles Intendant ein Haus gemietet, welches die Aussicht auf den Green Park hatte und in welchem wir, der Lord und ich, jedes eine Etage bezogen. Mit seinem Gehalt und seinem persönlichen Vermögen hatte er ziemlich zweitausend Pfund Sterling jährlich. Es war dies im Verhältnis zu dem Luxus, den er entfaltete, ziemlich wenig; der Minister hatte ihm aber für den Fall, daß er an der Spitze der öffentlichen Angelegenheiten bliebe, versprochen, ein Mittel zur Erhöhung seines Gehaltes ausfindig zu machen. Lord Greenville hatte an seinen Onkel Sir William Hamilton geschrieben, daß er aus Anhänglichkeit an Fox in London bleiben würde, so lange dieser Minister wäre. Zugleich hatte er ihm das Versprechen, welches Fox ihm gegeben, mitgeteilt und ihn gebeten, ihm es möglich zu machen, die Erfüllung desselben abzuwarten.
Sir William Hamilton hatte ihm sofort eine Anweisung von tausend Pfund auf seinen Bankier geschickt. Lord Greenville fragte mich auf die zarteste und schonendste Weise, ob ich nicht Lehrer annehmen und durch diese meine Ausbildung vollenden lassen wollte. Ich sah ein, daß der Kreis von Kenntnissen, welcher Emma Lyonna, der nur dem Vergnügen huldigenden Abenteurerin, genügte, für Mylady Greenville nicht genügen würde, und ich bat Sir Charles, mir selbst einen Studienplan vorzuzeichnen. Von diesem Augenblicke an hatte ich Lehrer für die französische und italienische Sprache, für den Gesang, für die Zeichenkunst und den Tanz.
Man weiß, mit welcher Leichtigkeit ich lernte und mit welchem wunderbaren Gedächtnis ich begabt war. Obschon ich alle die genannten Dinge gleichzeitig trieb, so machte ich doch in jedem derselben reißende Fortschritte. Ich hatte von Natur eine gute reine Stimme. Es war als wäre die Musik für mich eine vergessene Kunst, deren ich mich bloß wieder zu erinnern glaubte. Das Italienische lernte ich gewissermaßen singend.
Was das Französische betraf, so widmete ich mich dem Studium dieser Sprache mit solchem Eifer, daß ich während der ganzen Zeit, welche mir die andern Übungen übrig ließen, stets ein in derSprache Racines und Voltaires geschriebenes Buch in der Hand hatte.
Mein Leben war sonach ein vollständig verändertes. Jene tausend Vergnügungen, von welchen das Leben einer hübschen Frau begleitet zu sein pflegt, hatten den Studien einer ernsten Frau und wie ich nicht unerwähnt lassen darf, einer Familienmutter Platz gemacht. Nach Verlauf von zehn Monaten lieh nämlich eine kleine Tochter unserem Bunde einen noch vollständigeren ehelichen Anstrich. Zwei Monate vorher jedoch hatte uns in bezug auf unsere Finanzen ein schwerer Schlag getroffen. Das, was Sir William Hamilton vorausgesehen, war eingetroffen. Nachdem Charles Fox im Jahre 1782 das Ministerium Pitt gestürzt und mit der Leitung der auswärtigen Angelegenheiten betraut worden, hatte er den Frieden mit Amerika und Frankreich zustande gebracht. In diesem Triumph hatte er den Weg zur unumschränkten Macht zu finden geglaubt und, entrüstet über das gesetzwidrige Gebaren der ostindischen Kompanie, dasselbe laut gerügt und eine gerichtliche Untersuchung verlangt. Da er aber mit diesem Antrage im Oberhause durchfiel, so sah er sich genötigt, als Minister seine Entlassung zu geben und wieder zur Opposition überzugehen. Infolge dieses Rücktritts verlor Lord Greenville seinen Posten. Es blieben ihm daher in allem von seinem Privatvermögen zweihundertfünfzig bis dreihundert Pfund Sterling jährlich, Wie gewöhnlich nahm er seine Zuflucht abermals zu seinem Onkel, indem er ihm versicherte, daß Charles Fox jedenfalls sehr bald wieder ins Ministerium treten würde, dann würde seine, Lord Greenvilles Stellung eine weit bessere werden als je vorher, da er dann doch den Preis seiner Hingebung und Freundschaft erhalten mußte. Sir William Hamilton schickte abermals eine Anweisung auf eintausend Pfund Sterling. Mit
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