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TKKG 073 - Hilflos in eisiger Nacht

TKKG 073 - Hilflos in eisiger Nacht

Titel: TKKG 073 - Hilflos in eisiger Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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Rücken runterlaufen.
    Vom Nacken bis zum letzten Wirbel."
    "Aha?" meinte Klößchen.
    Dann sagte Luhe vom Wohnwagen her: "Unterhaltet euch bitte woanders oder wenigstens leise. Ich will mich nämlich jetzt zur Ruhe begeben. Auch unsereins, der nicht am Sozialprodukt beteiligt ist, hat Anrecht auf Augenpflege."
    "Wir können Ihnen ja ein Schlaflied singen", rief Tim.
    Aber der undankbare Penner hatte die fünf Mark schon vergessen und knallte die Tür des Wohnwagens zu.
    Die Jungs trollten sich, und Tim erläuterte: "Es ist wirklich ein Horror, Willi. Im Zweiten Weltkrieg sind 1,3 Millionen Tonnen - und eine Tonne hat bekanntlich 20 Zentner -Sprengstoff während der Luftangriffe über deutschen Städten abgeworfen worden. In Form von Brand- und Sprengbomben. Berlin hat am meisten abgekriegt, nämlich 60000 Tonnen. Dresden nur 7000. Aber auch das reicht. Ein Zehntel dieser Bomben ist nicht explodiert. Sie versagten als Blindgänger. Was aber nicht heißt, dass die Dinger jetzt harmlos wären. Im Gegenteil. Sie liegen metertief in der Erde. Überall. Auch Granaten und Minen.
    Entdeckt wird das mörderische Teufelszeug - das keinen anderen Zweck erfüllt als den der Vernichtung - meistens von Bauarbeitern. Zufällig. Oder von spielenden Kids, die in der Erde buddeln, weil sie nach Schätzen suchen, nach Goldadern oder Regenwürmern. Und ich schätze mal, dass auch dort im Wald eine Bombe lag."
    "Und weshalb ist sie explodiert - nach mindestens 50 Jahren Grabesruhe?"
    "Da müsste man einen Sprengmeister beim Kampfmittel-Räumdienst fragen. Vielleicht tut sie's von selbst, wenn im Innern ein gewisser Grad der Durchrostung erreicht ist. Wenn zum Beispiel die Säure, die den Sprengsatz aktiviert, ausläuft. Der Zünder bleibt nämlich scharf."
    "Wahnsinn!"
    "Oder eine Erdbewegung hat stattgefunden."
    "Maulwurf?"
    "Was der mit seinen Pfötchen schaufelt, reicht da bestimmt nicht. Ich denke eher an ein leichtes Erdbeben. Ist zwar selten in unseren Breitengraden, aber geringe Verschiebungen der Erdkruste finden schon mal statt. Und die Bombe lag vielleicht genau im Epizentrum."
    "Wo?"
    "Exakt dort, wo es wackelt."
    "Meinetwegen." Klößchen gähnte.
    "Es gibt 3000 staatliche Sprengmeister. Sie entschärfen die Bomben."
    "Wäre kein Job für mich."
    "Da brauchst du Nerven wie Stricke."
    "Und eine gute Lebensversicherung für die Familie."
    Der Wald lag jetzt hinter ihnen. Sie gingen übers Feld, froren jämmerlich, liefen schließlich durchs Tor und zogen sich dann mit klammen Fingern an der Strickleiter hoch. Die-Pauker schliefen. Sogar bei der Kühnleber war
    alles dunkel.
    Die Jungs huschten ins ADLERNEST, und es erschien ihnen wie der behaglichste Ort auf der Welt.

Große Verblödung
     
    Am Sonntagmorgen schob sich die Wintersonne über den östlichen Horizont, und Luhe kroch aus dem Wohnwagen. Der Penner war steifgefroren, hatte aber schon gefrühstückt, nämlich Hammelfleisch aus der Dose genossen, gezuckerte Erdbeeren aus dem Plastikbecher und Kartoffelchips aus der Tüte.
    Er rieb sich die Hände. Er wusste: Sein Weizen blühte. Der Hut ohne Krempe saß verwegen und keck auf der Kräuselwolle. Im Bartgestrüpp hing noch etwas Hammelfleisch. Luhe hatte beschlossen, sich im Frühling zu rasieren. Aber erst dann. Denn jetzt wärmte der Bart. Außerdem passte seine Farbe zu der des Mantels.
    Luhe atmete tief durch und marschierte los.
    In der Ferne läuteten Kirchenglocken und riefen zu einer frühen Messe mit Andacht. Aber ein Gotteshaus war nicht Luhes Ziel.
    Er hielt sich in nordöstlicher Richtung, überquerte also weites Feld, wo der Wind zog wie Hechtsuppe, erreichte die Verbindungsstraße zwischen Stadt und Internat, wurde von einem Wagen mit stotterndem Motor überholt
    in dem saß Dr. Alfred Sülzknecht, ein Altphilologe - und hob den Daumen, um Mitfahrt heischend.
    Aber Sülzknecht, der an diesem Morgen schlecht gelaunt war, zeigte dem Penner einen Vogel und fuhr weiter.
    "Blödmann!" knurrte Luhe in seinen Bart und ortete dort schnuppernd ein Stück Hammelfleisch.
    Später erreichte Luhe die Stadt, fand eine Telefonzelle und griff in den leinen Einkaufsbeutel, den er unterm Mantel wie ein Schulterhalfter trug.
    Allerdings enthielt der Beutel keine Pistole, sondern ca. zwei Pfund Hartgeld, überwiegend Markstücke.
    Diese Barschaft war erfochten, buchstäblich, denn fechten bedeutet in der Fachsprache der professionellen Penner - also solcher, die es gern sind - dasselbe wie abgrasen, Halche schieben, geilen,

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