TKKG 073 - Hilflos in eisiger Nacht
Reihe
An diesem Sonntagvormittag hatten sich Tim und seine Freunde am Hauptbahnhof verabredet, wollten sich dort treffen, denn er liegt zentral, und das war günstig für die geplanten Aktionen.
Alle kamen auf Bikes. Gaby trug die mit Kunstfell gefütterte, gewachste Jacke, die sie zu Weihnachten bekommen hat - und hatte sich einen langen Strickschal um den Hals gewickelt. Bis zur Nasenspitze versank sie darin. Tim wählte die Stirn, um ein Begrüßungsbussi zu platzieren. Dann klebte ihm eins der goldblonden Ponyhaare an der Unterlippe.
"A lock of golden hair", grinste Klößchen, "hat er ihr abgebissen."
"Du Doofmann", zischte Gaby. "Dir würde das sicherlich passieren, wenn du mal versuchst, ein Mädchen zu küssen."
Klößchen behielt sein Grinsen. "Mit dem Geknutsche warte ich, bis ich 16 bin. Dann bin ich schlank und einen halben Meter größer. Die Girlies werden Spalier knien."
"Ich wünsche es dir. Mit dem Schlankwerden könntest du heute schon anfangen. Also steck deine Schoko weg!"
Klößchen wollte gerade einen Riegel von der Tafel abbrechen, zögerte verblüfft, gab sich einen inneren Ruck und schob seine süße Lust in die Tasche zurück, mit langsam erlöschendem Grinsen.
Tim und Karl starrten ihn an, als hätte er soeben den Ein-Finger-Handstand vorgeführt und dazu den bayrischen Andachtsjodler geschmettert.
Gaby lächelte. "Brav so, Willi."
Klößchen streckte sich. "Außerdem wachse ich bereits. Ich spüre es."
Tim sagte: "Nachdem wir heute Nacht aus dem Wald
zurück waren, hat er zwei Tafeln verputzt. Das ist die Erklärung für diese heldenhafte Enthaltsamkeit. Apropos Wald. Wir sind um eine Nasenlänge zu spät gekommen. Sonst hätten wir gesehen, wie das Ufo gelandet ist - und dann explodiert. Zum Glück gibt es dafür einen anderen Zeugen. Dem sind auch zehn grünschillernde Außerirdische erschienen - im Wach-, Tag- oder Wunschtraum. Für nähere Einzelheiten will er Geld, der Sozialfuzzi."
Tim erzählte. Karl und Gaby amüsierten sich. Damit war das Thema abgehakt, und man konzentrierte sich aufs Wesentliche.
"Die Gruppe muss sich teilen", bestimmte Tim. "Zwei von uns werden den Ex-Knasti Kurt Selbig überwachen. Denn ich wette eine meiner Tugenden darauf, dass es mit dem Brief, den ihm Martina überbracht hat, was Teuflisches auf sich hat. Da kommt was nach. Und wir halten die Nase über Wasser, um rechtzeitig Wind zu kriegen. Wahrscheinlich kommt Selbig langsam in die Gänge. Als altgesessener Ganove wird er nichts überstürzen. Aber wir haben ja Geduld. Karl, Klößchen, macht ihr den Job?"
Karl nickte.
Klößchen grinste, als wollte er sagen: Dann sieht Gaby wenigstens nicht, wie ich in die braunen Rippen beiße.
"Und wir?" fragte Gaby, die heute ihren Hund Oskar nicht bei sich hatte. "Gehen wir Kaffee trinken?"
"Vielleicht lädt uns Martina dazu ein", nickte der TKKG-Häuptling.
"Du willst zu ihr?"
"Wir müssen nachbohren. Gestern war's ein Oberflächengespräch. Da wusste ich noch nicht, wie Gaulgesicht - ich meine Selbig - mich abblitzen lässt. Und von seiner Vergangenheit als Gefängnisinsasse wusste ich noch weniger."
Damit war beschlossen, wo's langgeht, und die TKKG- Bande teilte sich.
Karl und Klößchen fuhren zum Frustel-Weg, um sich dort beobachtend hinter den Glas-Containern zu postieren. Tim und seine Freundin wollten zur Zündhofener Allee. Aber niemand wusste, wo das ist.
Tim fragte einen der Taxi-Chauffeure, die bei ihren Kraftdroschken herumlungerten, und erhielt eine Wegbeschreibung. Gaby blätterte währenddessen im Telefonbuch, um Martinas Hausnummer zu ermitteln, denn Tim hatte sie vergessen.
"Neunundvierzig", sagte Gaby, als sie dann rechts neben ihm fuhr, was möglich war wegen der fast leeren Straßen. "Aber vielleicht ist sie gar nicht zu Hause, sondern bei ihrem Sprengmeister. Wir kommen ja unangemeldet und überfallartig."
"Man muss auch mal was riskieren", lachte Tim.
Die Zündhofener Allee war breit, ruhig und auf beiden Seiten mit Lindenbäumen bepflanzt. Jetzt trugen die Hochgewächse allerdings kein Grün, sondern nur winterkahle Äste, in denen hier und da noch ein leerstehendes, zerzaustes Vogelnest hing. Die ehemaligen Bewohner weilten zurzeit am Mittelmeer und ließen sich das Gefieder von der südlichen Sonne wärmen.
Es gab kleine Gärten, Bungalows und Mehrfamilienhäuser mit höchstens drei Parteien. Keine Geschäfte, keine Tankstelle, keinen Supermarkt, nicht mal einen Kiosk.
Nr. 49 war ein Bungalow von schlichter
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