TKKG 073 - Hilflos in eisiger Nacht
die Explosionskraft hat alles verzehrt, und die freiwerdende Energie ist abgedampft in den Weltraum, wo der Platz für solche Entlagerungen noch reicht. Jedenfalls ist nichts runtergeregnet, und ich lag im Schnee mit meinem Schrecken. Und das Glühen war weg, die ganze Erscheinung. Nur die zehn Außerirdischen - die sind noch hier."
Stille.
Unwillkürlich horchte Tim nach draußen. Standen die grünschillernden Weltraumbesucher vor der Tür?
Albernheit! dachte er im selben Moment. Soweit kommt es noch, dass ich mich von dem Schwachsinn anstecken lasse.
"Verstehe", sagte er. "Darauf läuft es hinaus. Sie wollen die zehn Männchen verkaufen. Damit ein bisschen Hysterie aufkommt und Panik unter den Lesern der gelben Gazetten. Zehn Außerirdische verstecken sich hier im Wald und wollen natürlich den blauen Planet erobern. Hoffentlich ist dieser Schwachsinn unverkäuflich!"
"Es ist die Wahrheit."
Klößchen gähnte. "Und wegen so was holst du mich aus dem Bett, Tim? Die Heizung ist auch nicht aufgedreht im Adlernest. Das dauert Minuten, bevor ich richtig warm werde unter der Decke."
Tim sah Luhe an mit einem Blick wie das gefährliche Ende der Mistgabel. "Was war nun wirklich?"
"Ich habe gesagt, was ich weiß."
Tim setzte ihn unter Druck, fragte, warnte, säuselte, drohte verhalten, bot ihm schließlich fünf Mark - aber der Penner blieb bei seiner Aussage.
Entweder er spinnt, dachte Tim, oder eine Halluzination hat ihn heimgesucht. Aber am wahrscheinlichsten ist die dritte Möglichkeit: Er lügt, weil er ein Geschäft wittert. Er hat alles erfunden.
Jedenfalls bestand kein Grund, ihn hart in die Mangel zu nehmen. Dieser Luhe war nur ein armseliger Typ, aus der Lebensbahn geworfen durch was-auch-immer. Falls er nicht kriminell war, verdiente er Mitleid. Und da nirgendwo Schnaps- oder Bierflaschen rumstanden, legte Tim seine fünf Mark auf die umgestülpte Obstkiste, die als Tisch diente.
"Für 'n Imbiss", sagte Tim.
"Danke! Ich dachte schon, du wärst so ein RandaleTyp, der Pennfuzzis niedermacht."
"Wir machen niemanden nieder", sagte Tim und sprang aus dem Wohnwagen.
Luhe will uns ein Ufo aufschwatzen, überlegte der TKKG-Häuptling. Also gut, jedermann hat ein Anrecht auf Märchen, auf Lügen. Hirngespinst! Seifenblase! Aber es hat geknallt. Die Explosion hat mich fast aus dem Bett geweht - und das auf diese Entfernung. Was also war hier los, zum Henker?
Auch Klößchen hatte des Penners Nachtnest verlassen, stand neben Tim und schlug fröstelnd die Hände aneinander.
"Es wird wohl ein Wilddieb gewesen sein, Tim. Wir haben einen Schuss gehört."
"Mann! Nicht mal eine Atomkanone knallt so laut."
Tim knipste seine Lampe an, richtete den Lichtstrahl auf den anderen Teil der Lichtung und stiefelte los.
Als er den Obelisk, jetzt umgestürzt und zerbrochen, erreichte, blieb er stehen und verharrte - als hätte man ihm ein Brett vor den Kopf gehauen.
Lichtstrahl und Blick glitten über einige andere Felsbrocken. Dahinter war der Boden nicht mehr weiß, nicht mehr schneeig, sondern erdbraun, erdschwarz, erdfarben.
Ein Krater war entstanden von etwa vier Metern Durchmesser und mehr als einem Meter Tiefe. Der herausgeschleuderte Dreck hatte sich ringsum verteilt. Felsen hatten fliegen gelernt, waren zersplittert worden und wie Granatfeuer in die Bäume gesaust. Eine Explosion im Boden, dachte Tim. Sie hat stattgefunden, und es ist als Wunder zu werten, dass der Wohnwagen noch an seinem Platz steht.
"Also doch ein außerirdischer Starfighter", staunte Klößchen, "ein Phantomjäger oder intergalaktischer Überlicht-Jumbo."
"Unsinn! Die Explosion war nicht über dem Boden, sondern unterirdisch."
"Wie die Atombombenversuche größenwahnsinniger Staaten?"
"So ungefähr. Nur ein paar Nummern kleiner."
"Schweinerei! Ist der Wald jetzt verseucht?"
Manchmal, dachte Tim, weiß man bei Willi wirklich nicht, ob er kalauert oder auf der Leitung steht.
"Ich tippe auf eine Fliegerbombe", sagte Tim.
"Also so eine wie die, die dem Sprengmeister den letzten Abgang verschafft hat?"
"Exakt."
"Und wie kommst du darauf?"
"Liest du nicht Zeitung?"
"Nur die Genussmittel-Reklame, wobei mich Alkohol und Tabak überhaupt nicht interessieren."
"Es stand im drittletzten Zeitgeist-Magazin", erklärte Tim. "Und wegen dem, was ich von Martina Paulmann über ihren bombentoten Onkel gehört habe, war ich natürlich sehr infobegierig. Nach der Spätatzung habe ich gelesen, den Bericht nämlich gefunden. Es kann einem kalt den
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