Tochter der Hoffnung (German Edition)
alles so unwirklich, als sei alles nur ein sehr seltsamer Traum. Sie vermisste ihre Eltern und ihre Großeltern. Sie hätte alles dafür gegeben, noch einmal mit ihnen sprechen zu können. „Wisst ihr, wenn ich mit meinen Eltern draußen am Lagefeuer saß, dann hat meine Mutter immer Geschichten erzählt. Über mutige Helden, die das Unglaubliche erreichten und über fremde Welten und Wesen. Sie hatte eine wunderschöne Stimme, der man stundenlang zuhören konnte.“ Niall umschloss mit ihren kalten Fingern den Becher mit warmen Tee und schaute schüchtern zur Prinzessin herüber. Sie war etwas jünger als Ailish, doch alles, was ihr Bruder ihr in so kurzer Zeit erzählt hatte, vermittelte Niall ein Gefühl von tiefer Ehrfurcht. Als sie die Prinzessin beobachtete, kam der Schmerz in ihrem Bein wieder und unbewusst rieb sie mit der Hand über die schmerzende Stelle. In der Gefangenschaft hatte ein Scherge mit Hilfe eines Schwertknaufs Gehorsam von ihr gefordert. Die klare Stimme ihrer Mutter riss sie wieder aus ihren Gedanken.
„Eure Zieheltern müssen gütige Menschen gewesen sein. Nicht jeder würde ein fremdes Kind aufnehmen. Wir alle dachten, dass ihr zusammen mit euren………mit dem Königspaar umgekommen wärt. Über die Jahre hinweg haben sich Gerüchte verbreitet, dass die Prinzessin eines Tages wiederkehren und uns somit die Hoffnung bringen würde. Erzählt uns doch ein wenig aus dieser anderen Welt, Prinzessin. “ Auf Sinèad`s Worte hin erwiderte Ailish: „Bitte nennt mich Ailish. Für mich ist es noch ziemlich seltsam, dass man mich Prinzessin nennt.“ Ailish überlegte, wie sie anfangen sollte. „Dort, in dieser anderen Welt ist vieles anders und doch gibt es auch viele Gemeinsamkeiten mit dieser Welt. Es gibt verschiedene Länder mit verschieden Sitten und Ansichten. Es gibt Länder, dort sind Frauen und Männer gleichberechtigt und es gibt Länder, in denen Frauen unterdrückt werden. Es gibt arrangierte Ehen, in manchen Religionen werden Frauen für Fehltritte zur Strafe getötet. Aber es gibt auch Orte, an denen Frauen hohe Positionen einnehmen. Es gibt verschiedene Religionen.“ Auf die verwirrten Blicke der Anderen hin erklärte Ailish:“Das bedeutet, dass die Menschen an eine höhere Macht, eine bestimmte Gestalt glauben. Ich wüsste nicht, wie ich es anders erklären sollte. Die Landschaft dort sieht gar nicht so anders aus wie diese hier.“ Alle starrten ins Feuer und ließen sich von den Flammen wärmen.
„Meine Tante hat mir oft von ihren Visionen erzählt,“ meinte Sinèad. Sie schaute gespannt in die Flammen und nahm dabei die Hand ihrer Tochter in ihre eigene.
„Sie wusste, dass es viele Parallelwelten gab. Sie träumte oft von anderen Menschen, anderen Orten, anderen Zeiten. Sie meinte einmal zu mir, dass wir alle zusammen zu einem Universum gehören. Wenn wir sterben, wird unsere Seele, unsere Essenz, in dieser oder einer anderen Welt wiedergeboren. Jede Seele sucht sich aus, als was sie wiedergeboren werden möchte.“ Sinéad legte eine kurze Pause ein. „Nur wenigen lebenden Wesen ist es gegeben, die verschiedenen Welten mithilfe der Coirthen zu bereisen. Der Steinkreis, mit dessen Hilfe man die Welten wechseln kann, erscheint laut einer Legende nur zweimal im Jahr.“ Diese Information speicherte Ailish ab, für den Fall, dass sie die nächste Zeit überleben würde. Das war ihr Weg nach Hause. Doch bei diesem Gedanken überfiel sie irgendwie ein trauriges Gefühl. Sie sollte noch nicht allzu viel an die Zukunft denken. Sie hatte ja nicht mal den Hauch einer Ahnung, was als nächstes kam. Bei diesem Gedanken fiel ihr das Blatt Papier mit der Wegbeschreibung wieder ein. Liamh schaute erstaunt dabei zu, wie Ailish ihre Tasche nach irgendetwas durchsuchte. Als sie vorsichtig ein zusammen gerolltes Stück Papier hervorholte, schaute er sie fragend an.
Vorsichtig faltete Ailish das Papier auseinander und reichte es Liamh.
„An dem morgen, als Duncan und ich dir hinterher gereist sind, habe ich diese Karte auf meinem Tisch gefunden. Es sieht zumindest aus wie eine Karte. Ich habe sie schon fast wieder vergessen.“ Liamh schaute überlegend auf die Zeichnung. Duncan nahm ihm das Papier aus der Hand und studierte in seiner üblichen gründlichen Art die Zeichnung.
„Ich kenne mich in dieser Gegend nicht aus. Vermutlich ist dieser Ort ein bis zwei Tagesreisen von hier entfernt. Doch meines Wissens nach befindet sich dort nur ein Waldgebiet mit so einem heißen Klima,
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