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Tochter der Insel - Historischer Roman

Tochter der Insel - Historischer Roman

Titel: Tochter der Insel - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Oltmanns
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dass deine Großmutter gestorben ist. Es ist wohl ganz überraschend geschehen.«
    Leas Hände fühlten sich plötzlich klamm an. Sie brachte kein Wort hervor.
    Der Vogt legte einen Arm um Leas Schultern und zog sie sanft an sich. »Es tut mir so leid, mein Kind! Ein Mann namens Ferdinand Gärber, er sagt, er sei der Finanzberater deiner Großmutter gewesen, hat ihren Leichnam überführt.«
    Lea konnte kaum fassen, was sie da hörte. Sie sah hilfesuchend zu Hiske, die aus der Küche kam und sich die Hände an ihrer Schürze abtrocknete.
    »Ich habe alles mitgehört. Die Frau Brons ist tot? Was ist geschehen? Woran ist sie gestorben?«
    »Der Fremde sagt, es sei ein Herzanfall gewesen. Er war der Letzte, der sie lebend gesehen hat. Hiske, ich werde jetzt die Runde drehen und es allen erzählen. Kannst du bei Lea bleiben und ihr zur Seite stehen oder soll ich … ?«
    »Natürlich bleibe ich hier. Und du bleibst auch noch einen Moment. Wir brauchen jetzt erst mal einen Schnaps.«
    Während Hiske eine Flasche und Gläser holte, ging Lea mit hölzernen Schritten in die Küche zurück und sank wie betäubt auf einen Stuhl. Großmutter war tot! Sie versuchte die Nachricht zu begreifen, doch es gelang ihr nicht. Vielleicht träumte sie. Doch da war der Vogt, die Trauer auf seinem Gesicht. Er zog ein Taschentuch aus seiner Weste und wischte sich über die Augen.
    »Und nun erzähl alles noch einmal ganz genau«, wies Hiske ihn an, nachdem sie einen Schluck getrunken hatten.
    Lea gelang es kaum, sich auf die Worte des Vogtes zu konzentrieren. Sie wünschte nichts mehr, als allein zu sein, und war froh, als der Mann nach seinem Hut griff und sich erhob. An der Tür drehte er sich noch einmal um.
    »Ach, fast hätte ich es vergessen. Lea, dieser Finanzberater wird sich noch mit dir in Verbindung setzen. Er bleibt bis nach der Beerdigung und sagt, es gibt einiges zu regeln. Ich habe ihn im Logierhaus einquartiert.«
    Der Trauerzug näherte sich in ungeordneter Reihe dem Inselfriedhof. Ein starker Wind blies von See her und brachte den Geruch von Salz und Fisch mit sich. Er zerrte mit eisigen Fingern an den schwarzen Röcken und dunklen Mänteln.
    Vom Turm her wehte Glockengeläut herüber, das sich mit dem Rauschen des Meeres zu einem traurigen Gesang vereinigte. Beim Grab angekommen, stellten die Träger den Sarg auf zwei Bretter, die über der frisch ausgehobenen Grube lagen.
    »Der Tod kommt wie ein Dieb in der Nacht«, sagte der Pastor.
    Lea riss ihre Augen vom Sarg los. Ihr Blick suchte Immo. Als sie neben ihm Carlotta entdeckte, durchzuckte sie ein heißer Schmerz. Die junge Frau war wirklich eine Schönheit. Sie hatte etwas von einem bunten Schmetterling an sich. Ihre Leichtigkeit stach neben der Ernsthaftigkeit der meisten Insulaner nur umso deutlicher hervor. Helles Haar fiel ihr leicht und lockig auf die Schultern. Carlotta trug, dem Anlass angemessen, ein dunkles Kleid. Doch bei jeder Bewegung schimmerte es wie Seide. Am gestrigen Abend hatten die beiden Lea besucht. Durch Großmutters Tod war das Gefühl der Befangenheit Immo gegenüber in den Hintergrund getreten. Er hatte sie besorgt betrachtet, und am liebsten wäre Lea ihm in die Arme gefallen, um sich trösten zu lassen. Doch Carlotta hatte sie davon abgehalten. Statt seiner war die Fremde auf Lea zugeflogen und hatte sie umarmt.
    »Immo hat mir ja schon so viel von dir erzählt. Dass ihr zusammen aufgewachsen seid und alles. Es ist schrecklich, dass du jetzt neben der Schwester auch noch deine Großmutter verloren hast. Was wirst du jetzt tun, so ganz allein?«
    Lea war zusammengezuckt. Carlottas hohe Stimme hatte ihr Kopfschmerzen verursacht.
    »Das weiß ich noch nicht.«
    »Es ist doch furchtbar einsam und eintönig, immer nur auf dieser Insel zu sein. Komm eine Weile zu uns in die Stadt. Wir zeigen dir das Leben. Nicht wahr, Immo?! Musik und Tanz. Wein und die Gesellschaft guter Freunde. Was gibt es Besseres?«
    Immo hatte kaum etwas gesagt. Sein Gesicht war ernst, und Lea hatte sich plötzlich mehr Sorgen um ihn als um sich selbst gemacht. Irgendetwas beunruhigte Immo, das spürte sie auch heute, am Grab ihrer Großmutter.
    Lea musterte die anderen Insulaner, die einen Halbkreis um das offene Grab bildeten. Alle waren gekommen, sogar Hofrat Westing und seine Frau, die den herrschaftlichen Badebetrieb leiteten. Auch der Vogt und Dr. Chemnitz, der Badearzt. Hiske, die neben ihr stand, wischte sich mit einem Tuch über die Augen.
    Wo wäre ich ohne sie, ging

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