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Tochter der Insel - Historischer Roman

Tochter der Insel - Historischer Roman

Titel: Tochter der Insel - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Oltmanns
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es Lea durch den Sinn. Hiske war ihr in den letzten Tagen eine sehr große Hilfe gewesen. Sie hatte alles in die Hand genommen, bis hin zur Beerdigung.
    Großmutter sei einem Herzanfall erlegen, so stand es im Bericht des Bremer Arztes. Lea konnte nicht um sie weinen, sie empfand nicht einmal Trauer. Sie war nur erschrocken über die Nachricht. Was war in Bremen geschehen? Gab es eine Ursache für den Herzanfall? Sie musste versuchen, es herauszufinden.
    Wenn ich nur jemanden hätte, der mir dabei helfen würde, dachte Lea. Ihre Tränen brachen sich Bahn. Tröstende Blicke trafen sie. Man nickte ihr zu, Hiske strich leicht über Leas Arm.
    Sie sind gekommen, damit ich nicht allein diesen schweren Gang antreten muss, ging es Lea durch den Sinn und fühlte sich getröstet.
    Ihre Gedanken wanderten zu der kleinen Holztruhe, die noch immer ungeöffnet auf dem Sekretär im Zimmer der Großmutter stand. Ferdinand Gärber hatte die Schatulle noch am Tag seiner Ankunft gebracht. Dem Finanzberater wäre es wohl am liebsten gewesen, wenn Lea das Kästchen in seinem Beisein geöffnet hätte. Doch diesen Gefallen hatte sie dem Fremden nicht getan.
    Beim Gedanken an ihn sah sich Lea verstohlen um und bemerkte, dass er ganz in ihrer Nähe stand. Lea verspürte wieder den unangenehmen Druck im Magen. Sie wusste nicht, warum, aber da war von Anfang an eine tiefe Abneigung gegen diesen Menschen gewesen. An seinem Äußeren konnte sie dies kaum festmachen. Gärber war ein großer schlanker Mann. Sein gut geschnittener dunkler Anzug saß perfekt. Das schmale Gesicht mit dem dunklen Haar, das an den Schläfen schon grau wurde, hätte sympathisch wirken können, wenn da nicht diese scharfen Habichtaugen gewesen wären.
    Seine Manieren Lea gegenüber waren tadellos, trotzdem fühlte sie sich in seiner Gegenwart unbehaglich. Es lag nicht an dem, was er sagte. Mit einfühlsamen Worten hatte er sein Bedauern über den Tod seiner Kundin, ihrer Großmutter, geäußert. Und doch war da in seiner Stimme ein leichter Unterton, so, als ob er sich über sie lustig machte.
    Es schien, als ob der Finanzberater spürte, dass sie an ihn dachte. Er drängte sich zu Lea vor und ergriff ihren Arm. Als sie versuchte, sich ihm zu entziehen, wurde sein Griff so fest, dass es schmerzte. Schauer liefen Lea über den Rücken. Er würde sie nicht loslassen! Lea sah sich wieder nach Immo um, doch dieser starrte mit einer merkwürdigen Verzweiflung im Gesicht nur vor sich hin.
    Der Geistliche kam zum Ende seiner Traueransprache. Die Sargträger traten vor und packten die dicken Seile, um den Sarg langsam ins Grab zu senken.
    »Asche zu Asche. Staub zu Staub«, zitierte der Prediger laut.
    Die Finger Ferdinand Gärbers drückten sie fester, und Lea erkannte, dass der Pastor sie auffordernd anschaute. Sie trat mit erhobenem Kopf vor und ließ eine Handvoll Sand in das offene Grab rieseln.
    Kurz darauf war alles vorbei, und die Menschen gingen zögernd auseinander. Einige sprachen Lea ihr Beileid aus. Hofrat Westing kündigte seinen Besuch für die nächsten Tage an. Seine Frau drückte Lea an ihren ausladenden Busen. Der Vogt neigte nur mitfühlend den Kopf. Der Fremde aber blieb an ihrer Seite.
    Lea war erleichtert, als sie sich dem Haus näherten. Sie sah das interessierte Blitzen in seinen Augen, als er den massiven Steinbau mit den hohen Schiebefenstern und dem Ziegeldach musterte.
    Lea wollte sich von Ferdinand Gärber verabschieden, doch er kam ihr zuvor.
    »Ich weiß, dass dies ein schwerer Tag gewesen ist. Deshalb werde ich Sie jetzt allein lassen. Ich nächtige in der herrschaftlichen Badeanstalt und werde morgen wieder vorbeischauen.«
    »Das ist wirklich freundlich, aber nicht notwendig. Ich … «
    »Es ist notwendig!« Seine Stimme war eiskalt. »Als finanzieller Berater Ihrer Großmutter muss ich Sie über gewisse Dinge informieren. Ich werde morgen Nachmittag wieder bei Ihnen sein.«
    Damit verbeugte Ferdinand Gärber sich knapp und wandte sich zum Gehen.

3
    L ea atmete erleichtert auf, als sich die Tür hinter ihr schloss. Mit zitternden Händen schob sie den Riegel vor, zog den Mantel aus und hängte ihn an die Garderobe. Wie eine Traumwandlerin ging sie in die Küche und sah durch das Fenster in den umzäunten Garten. Sie fühlte ein Stechen im Kopf, und es gelang Lea kaum, ihre Hände ruhig zu halten.
    Hiske, die ihr von der Gartentür aus zuwinkte, riss sie aus ihrer Versunkenheit. Lea ließ die Haushälterin ein und diese begann sogleich,

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