Tochter der Insel - Historischer Roman
Farmhaus für Arne und Rebekka gebaut.
Das Verhältnis zwischen Joris und Rebekka war und blieb gespannt, aber die beiden Brüder schienen miteinander auszukommen. Jetzt klang verhaltene Kritik ihrem Mann gegenüber durch. Nachdem die beiden anfangs glücklich gewesen waren, verbrachte Arne mehr und mehr Zeit außerhalb der Farm. Und es waren nicht nur Besorgungen oder Aufträge, denen er nachging. Arne schien dem Kartenspiel nicht abgeneigt, und Rebekka beschwerte sich über Abende, die sie allein verbringen musste. Zwischen den Zeilen glaubte Lea herauslesen zu können, dass Rebekka vermutete, sie selbst sei es, die Arne von der Farm trieb. Er sei ein lieber Mensch, aber ein unsteter Geist, den man nicht an die Kette legen könne.
Lea spürte die Einsamkeit, die in den Briefen anklang. Gab es keine anderen Siedler in der Nähe? Keinen Menschen, mit dem Rebekka Freundschaft geschlossen hatte? Lag es an den Brüdern, die man nicht mochte, oder an Rebekka selbst?
Das wird bald ein Ende haben, beschloss Lea und legte die Umschläge in den Beutel zurück. Ich werde mich auf die Reise machen und Rebekka besuchen. Dafür wird Großmutters Erbe sicherlich reichen.
Das Schlagen der Uhr ließ sie zusammenfahren. Lea schob die Umschläge von sich, wie um Abstand zum Gelesenen zu gewinnen, und schloss für einen Moment die brennenden Augen.
Rebekka! Wie sie sich danach sehnte, sie wiederzusehen! Ein warmes Glücksgefühl durchströmte Lea. Sie wäre am liebsten sofort aufgesprungen, hätte die Koffer gepackt und sich auf den Weg gemacht. Doch dafür war es noch zu früh.
Lea öffnete seufzend die Augen. Das Feuer im Kamin war erloschen. Sie erhob sich und streckte die steifen Glieder, zündete eine Kerze an und schraubte den Docht der Lampe herunter. Mit der Kerze in der Hand machte sie sich auf den Weg in ihre Schlafkammer. Sie seufzte, als ihr Ferdinand Gärber einfiel. Die Briefe hatten den anstehenden Besuch in den Hintergrund gerückt. Lea zwang sich, nicht an ihn zu denken. Diese Nacht gehörte allein den Träumen von Amerika und einem Wiedersehen mit Rebekka.
4
I mmo hatte nicht vorgehabt, an den Strand zu gehen. Aber irgendetwas – vielleicht der Trost, den das ewige Kommen und Gehen des Meeres bot, vielleicht die Schreie der Möwen, die seine Traurigkeit unterstrichen – , irgendetwas lockte ihn dort hin. Es war alles vorbei! Carlotta hatte heute in aller Frühe die Insel verlassen. Sie war zurückkehrt in ihre eigene Welt, unerreichbar für ihn.
Vor Immo rollten die Wellen an den Strand. Nasse Muscheln glänzten in der Sonne, und auf dem Wasser spiegelten sich Sonnenstrahlen. Unberührt vom Geschehenen.
Gestern, nach der Beerdigung von Leas Großmutter, hatten Carlotta und er sich ausgesprochen.
»Du willst also nicht in der Stadt arbeiten«, hörte er sie sagen.
»Nein. Ich wollte nie etwas anderes als hier auf Wangerooge leben.«
Immo seufzte. Das war das Ende gewesen. Er würde die Insel nicht verlassen. Er konnte es nicht! Nicht einmal für sie. Warum nur hatte er sich in Carlotta verlieben müssen? Warum war diese Sehnsucht in ihm, hier mit ihr den Rest des Lebens zu verbringen? Er war sich Carlottas Liebe so sicher gewesen, dass er sie nach Wangerooge einlud, um ihr einen Heiratsantrag zu machen.
Doch sie passte so wenig hierher wie eine Rose in ein Beet von Ringelblumen. Es gab nichts, was Carlotta an der Insel gefiel. Aus ihrer Sicht erkannte auch Immo plötzlich die Kargheit, die Einsamkeit und die Kälte, die das Eiland ausstrahlen konnte. Eine kurze Zeit lang hatten sie versucht, sich etwas vorzumachen, doch schließlich war Immo klar geworden, dass sie hier zusammen nicht glücklich werden konnten.
»Bitte sag, dass du die Stelle als Lehrer nicht annehmen wirst. Komm mit mir zurück ins Leben!«, hatte Carlotta gefleht.
Er hatte nur den Kopf geschüttelt. »Ich gehöre hierher.«
Carlotta war wütend geworden. Ob auf ihn oder auf sich selbst, wer konnte das wissen.
»Ach Immo! Für dich gibt es plötzlich nichts anderes mehr als diese verdammte Insel. Du hast dich entschieden und erwartest, dass ich mich füge. Aber ich fühle mich noch zu jung, um mich für ein ganzes Leben wegsperren zu lassen. Es gibt so vieles, was ich tun möchte, erleben will … «
Ihm fiel keine Antwort auf ihren Gefühlsausbruch ein. Am Ende sagte er: »Carlotta, was wird nun aus uns?«
»Immo, ich liebe dich. Aber ich mag mich nicht festbinden lassen.«
»Und festgebunden wärst du hier?«
»Ja!«
»Ich
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