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Tochter der Insel - Historischer Roman

Tochter der Insel - Historischer Roman

Titel: Tochter der Insel - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Oltmanns
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»Ich bin eine Frau, die weiß, dass diese Männer dann etwas ganz anderes brauchen. Mein Name ist Bell.« Sie streckte ihm ihre Hand entgegen. »Ich habe lange Zeit in einer Spielbank gearbeitet und weiß alles, was man über Karten wissen kann – und noch einiges mehr.« Sie zwinkerte ihm zu. »Von Lomber über Rouge et Noir, von Pikett bis Baccara – Karten sind mein Leben, und nebenbei gesagt singe und tanze ich auch ganz passabel.«
    Die Gäste um sie herum, aber auch Hardenberg selbst, rissen Mund und Augen auf.
    »Möchten Sie eine Kostprobe? Dann geben Sie mir bitte ein Paket Karten.«
    Hardenberg stand auf, holte Spielkarten aus einem Regal und reichte sie ihr. Während Bell die Gesichter der Neugierigen belustigt musterte, öffnete sie das Kartenpaket. Lea wurde sich ihrer langen und feingliedrigen Finger bewusst. Für einen Moment hielt Bell das Spiel einfach nur in den Händen, dann teilte sie das Päckchen in zwei Hälften. Mit einem sirrenden Geräusch mischte sie. Bell verharrte einen Atemzug, wie um sich in eine gewisse Stimmung zu versetzten, dann ließ sie die Karten tanzen.
    Bells rechte Hand umfing das ganz Spiel, während die Finger der linken einzelne Karten herauszogen. Aufrecht wie Soldaten standen sie, um im nächsten Moment wieder Teil des Spiels zu werden. Wieder surrten die Karten. Einhändig schlug sie Fächer, legte Bänder aus Karten auf den Tisch und fing sie wieder ein. Ihre Augen glänzten, die Wangen gewannen an Farbe, und jetzt erst wurde sich Lea der Anziehungskraft dieser Frau auf Männer richtig bewusst. Bell war in ihrem Element und strahlte eine Sinnlichkeit aus, die die Männer anlockte wie Honig die Bienen.
    Die Cafébesucher ließen ihre Zeitungen sinken, standen auf und traten mit großen Schritten auf sie zu. Andere starrten sie nur an und nippten wie gebannt von ihrem Kaffee. Die Verkäufer im Warenlager vergaßen ihre Kunden. Sie alle waren wie verzaubert, und auch Lea konnte sich nicht abwenden.
    Hexerei, dachte sie verblüfft.
    Mit einem triumphierenden Laut fächerte Bell die Karten auf und ließ sie dann von einer Hand in die andere sausen, wie ein Akkordeonspieler, der sein Musikinstrument auseinanderzieht und wieder schließt. Die Männer gaben bewundernde Laute von sich und klatschten vor Begeisterung in die Hände. Bell mischte das Spiel erneut. Es gelang ihr, derart geschickt aufzudecken, dass der Abstand zwischen den Karten exakt bemessen schien.
    »Mein Gott, Sie können aber damit umgehen!«, rief einer der Kunden und zog den Hut vor ihr.
    »Wollen Sie ein Spielchen mit mir wagen?« Ein älterer Graubart verbeugte sich galant.
    Sie lächelte ihm zu. »Heute Abend, sofern ich in den Morgenstern eingeladen werde.«
    »Es wird mir ein Vergnügen sein, Sie begrüßen zu dürfen.« Mit einem Hundeblick schaute Hardenberg ihr tief in die Augen. »Mein Gott, wird das die Wetten in die Höhe treiben!«
    »Werden Sie auch kommen?« Die Fremde wandte sich mit einem etwas spöttischen Ausdruck Lea zu, die zum Tisch getreten war.
    »Ich spiele nicht.«
    Ihr war bewusst, wie bieder das klang. Es wunderte Lea sehr, dass die Fremde sie überhaupt bemerkt hatte.
    Bell schaute sie amüsiert an. Bevor sie etwas erwidern konnte, rief der Graubart: »Aber wir anderen werden alle da sein!« Er warf jubelnd seinen Hut in die Luft.
    Bell lachte. Ihre Locken flogen, die Augen blitzten. Sie schien die Aufmerksamkeit zu genießen. Nacheinander stellten alle sich ihr vor. Lea wünschte sich, sie könnte auch mit einer solchen Leichtigkeit die Menschen für sich gewinnen.
    »Na dann. Ich freue mich auf heute Abend.« Bell legte die Spielkarten auf den Tisch zurück, erhob sich, griff nach Mantel und Hut und stolzierte zur Tür hinaus.
    Die Männer starrten ihr verträumt hinterher. Hardenberg seufzte laut. »Was für ein Weib!« Er küsste jeden Finger seiner Hand einzeln.
    Dann, als sei ihm gerade erst bewusst geworden, dass er Lea einfach hatte stehen lassen, wandte er sich wieder ihr zu. »Und Sie, meine Dame, brauchen unbedingt noch eine große Truhe, die all Ihre Einkäufe beherbergen kann.« Er wirkte wie aufgezogen. »Meine Liebe, Sie scheinen mir Glück zu bringen. Heute Abend wird die Kasse klingeln. Ich werde Ihnen deshalb die Seekiste zu einem akzeptablen Preis verkaufen.«
    Kurze Zeit später ließ Lea ihre Einkäufe aufladen und fuhr mit der Droschke zum Gasthaus zurück. Sie war müde, aber zufrieden. Was für ein ereignisreicher Tag! Über all dem Erlebten war sie

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