Tochter der Insel - Historischer Roman
tiefer.
»Eine weise Entscheidung. Wie gut für Sie. Dann speisen Sie natürlich etwas komfortabler. Aber auch hier ist das Mitnehmen gewisser Lebensmittel empfehlenswert. Die Eintönigkeit der Küche wird Sie sonst umbringen.«
Lea schluckte angesichts der Preise, mit denen die Waren ausgezeichnet waren. Sie würde sich einschränken und nur das wirklich Notwendige erwerben können.
»Ich denke, mit Proviant bin ich reichlich ausgestattet.«
Der Verkäufer zwinkerte ihr verständnisvoll zu. »Ich sehe schon, dass Sie wirklich nur das Unerlässlichste dazukaufen wollen. Als Kajütpassagier werden Sie zum Glück auch kein Geld für ein Unterbett ausgeben müssen, meine Liebe. Also, als Zusatzproviant empfehle ich wärmstens Kaffee und Tee, Salz, Zucker, Backobst und Zitronen. Sie werden mich nach drei Wochen Fahrt für diese Empfehlung einen Engel nennen.« Er bedachte ihr Äußeres mit Kennerblick. »Außerdem benötigen Sie noch Decken und Kleidung, die heftigem Wind und Regen standhält – oder irre ich mich da?«
Lea nickte. Ihr gefiel der Mann und seine leichte Art, mit Kunden umzugehen. Er hatte sie durchschaut und trotzdem nichts von seiner Höflichkeit verloren. Sie fühlte sich gut aufgehoben bei ihm und genoss seine fachmännische Beratung.
Als Lea die gekauften Waren bezahlte und sich von dem Verkäufer verabschieden wollte, brach dieser das Gespräch unvermittelt ab. Mit offenem Mund starrte er auf einen Punkt hinter ihr. Lea wandte sich um. In der Eingangstür mitten im Sonnenlicht stand eine junge Frau, die an jedem Ort der Welt die Gedanken eines Mannes abgelenkt hätte. Sie hatte helles, lockiges Haar, veilchenblaue Augen und eine üppige Figur. Die Blondine trug unter ihrem geöffneten Mantel ein Seidenkleid, das genau den Farbton ihrer Augen widerspiegelte, und einen modischen Hut mit hellen Bändern. Ihr Gesicht war von klarer Schönheit. Die marmorne Blässe ihrer Haut bildete einen starken Kontrast zu den vollen roten Lippen. Ihre Augen blitzten mit der Sonne um die Wette. Sie strahlte Wärme und Fröhlichkeit aus, eine Mischung, die alle in ihren Bann schlug.
Der Wind hatte einige Locken unter dem Hut hervorgezaubert. Mit einer einzigen Handbewegung fegte die Frau ihre Kappe vom Kopf, schritt durch den Raum und ließ sich mit fröhlichem Lachen an einem der Tische des Cafés nieder.
Während Lea sich fragte, was jemand wie sie hier zu suchen hatte, ließ der eben noch so aufmerksame Verkäufer sie stehen und eilte zu der Neuangekommenen.
Er winkte nach der Bedienung. »Teresa, nimm dich doch der Garderobe dieser jungen Dame an.« Dann wandte er sich an den blauen Engel. »Legen Sie den Mantel getrost ab, meine Liebe, und suchen Sie in Ruhe Ihre Waren aus. Mein Name ist Kalle Hardenberg. Ich bin der Besitzer dieses Warenhauses. Sofort stehe ich Ihnen zur Verfügung.«
»Wirklich? Ganz und gar?« Die blauen Augen der Frau lockten ihn.
Ihre Frage verwirrte den Mann. Er starrte sie mit unverhohlener Bewunderung an, um dann über die Anspielung zu lachen.
Sie ist es gewohnt, dass die Männer ihr zu Füßen liegen, dachte Lea und wunderte sich darüber, dass die Person ihr nicht unsympathisch war.
Die Fremde reichte Teresa Mantel und Hut. Mittlerweile hatten auch alle anderen den neuen Gast bemerkt und gafften. Der jungen Frau gelang es mit einem hinreißenden Lächeln, alle Kunden und Cafébesucher, in der Mehrzahl Männer, für sich einzunehmen.
»Sie sind genau der Mann, nach dem ich gesucht habe, Herr Hardenberg. Deshalb laufen Sie bitte nicht gleich wieder fort.« Sie hielt ihn am Ärmel fest. Der Kaufmann ließ sich auf einen Stuhl sinken und bedeutete der Blondgelockten, sich ebenfalls zu setzen. Die Dame zögerte einen winzigen Moment und schaute ihr Gegenüber prüfend an.
»Man sagte mir, dass Sie der Besitzer des Morgenstern sind, in dem man sich die Zeit unter anderem mit Kartenspielen und Wetten vertreiben kann.«
Hardenbergs Gesicht nahm einen reservierten Ausdruck an. »Es ist nichts Anrüchiges an meinem Etablissement, wenn Sie das meinen. Ich habe das Lokal angemeldet. Die Wetten werden reell notiert und unter Aufsicht der jeweilige Gewinner ermittelt.«
Die Fremde legte ihm beruhigend eine Hand auf den Arm. »Sie scheinen mich für eine dieser Damen zu halten, die den Seeleuten nach wochenlanger Reise kalte Milch und ein Gebetbuch in die Hand drücken wollen. Wie nennt man das Kartenspielen doch auch noch? Lesen im Gebetbuch des Teufels?« Sie lachte glockenhell.
Weitere Kostenlose Bücher