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Tochter der Nacht

Tochter der Nacht

Titel: Tochter der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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Punkt einig«, sagte der Priester. »Doch du kennst nicht die ganze Geschichte. Ich bin sicher, wenn Sarastro hier wäre, könnte er dir die Augen öffnen, wenn er es wollte. Deshalb tut ein Fremder gut daran, sich nicht in Streitigkeiten einzumischen, solange er nicht die volle Wahrheit kennt.«
    »Gut«, entgegnete Tamino, »wie erfahre ich also die ganze Wahrheit?«
    Der Priester lächelte ihn freundlich an und strahlte.
    »Endlich hast du eine Frage gestellt, die ich dir beantworten darf. Du wirst die Wahrheit erfahren, wenn du die Prüfungen bestanden hast und in unsere Bruderschaft aufgenommen worden bist.«
    Plötzlich verschwand das Licht und mit ihm Priester und Tempel. Tamino stand allein in dem riesigen Gewölbe vor den drei Tempeln, und hinter ihm ging die Sonne auf.
     
    Achtes Kapitel
    ∗ ∗ ∗
    Tamino fragte sich, ob er sich je daran gewöhnen würde, daß in dieser Gegend die Leute plötzlich auftauchten und wieder verschwanden. Und immer noch war es schrecklich dunkel, obwohl die Sonne schon am Himmel stehen mußte.
    Dem alten Priester hatte er nichts mehr sagen können, lag ihm doch ein ganzes Dutzend Fragen auf der Zunge und ließ ihn nicht mehr los. (Etwa: Wie kommt der Priester darauf, daß ich etwas mit der Bruderschaft zu tun haben möchte, wenn ein Mann wie Sarastro an der Spitze steht?) Aus der Art, in der der Alte den Priesterkönig verteidigt hatte, schloß Tamino, daß dieser auch von Sarastro verführt und in Bann gezogen worden war. Er dachte an die Tränen der Königin der Nacht. Wie konnte jemand daran zweifeln, daß sie eine große Frau war, der man grausames Leid zugefügt hatte?
    Unfreiwillig kehrten Taminos Gedanken zu den drei Hofdamen zurück, die sich mit Papageno einen bösen Spaß erlaubt hatten. Wie konnte er an die Güte der Herrscherin glauben, wenn ihre Leute so grundlos grausam waren? Vielleicht, dachte er, sollte ich mir doch anhören, welche Gründe Sarastro zu seiner Tat bewogen haben. Doch im selben Augenblick schämte Tamino sich schon wieder seiner Zweifel…
    Er irrte noch immer durch einen unbekannten heiligen Bezirk, und wenn die Tempel hier auch nur entfernt denen in seiner Heimat glichen, fest stand, daß die Priester bald zu den morgendlichen Sonnenritualen erscheinen würden.
    Und wenn man ihn entdeckte… Papageno hatte sich vor Sarastro gefürchtet und bei dem Gedanken daran gezittert, was der Priesterkönig mit ihnen tun würde, falls man sie hier fand… Papageno kannte diesen Teil der Welt besser als er.
    Natürlich war auch Papageno ein Diener der Königin der Nacht, und seine Vorstellungen von Sarastro entsprachen dem, was er von der Dienerschaft am Hof der Königin gehört hatte… Ärgerlich ließ Tamino von diesen Gedanken ab.
    Wieso begann er, an der Königin, dieser liebenswerten und leidgeplagten Mutter, zu zweifeln?
    Es war noch immer dunkel – warum ging die Sonne nicht auf? Wo war Papageno? Tamino wollte wieder nach ihm rufen, besann sich jedoch eines Besseren. Er konnte kaum hoffen, in Sarastros Nähe unbemerkt zu bleiben, wenn er laut rufend durch die Gegend lief. Und selbst wenn man ihn hier zu diesen geheimnisvollen Prüfungen erwartete, wie der alte Priester rätselhaft angedeutet hatte – Papageno war ein fremder Halbling und fürchtete sich vor Sarastro. Und er, Tamino, hatte Papageno hierhergebracht, er trug die Verantwortung für diesen komischen kleinen Vogel-Mann und wurde seiner Fürsorgepflicht wohl kaum gerecht, wenn er zuließ, daß Papageno in die Hände von Sarastros Priestern fiel.
    Und wie, überlegte Tamino gereizt, konnte er sich seiner eigentlichen Aufgabe widmen, Pamina zu befreien, wenn er sich um Papageno kümmern mußte? Dieser unglückselige Halbling hatte sich außerdem auch noch verirrt!
    Taminos Hand spürte die Rohrflöte an seiner Seite. Vielleicht gelang es ihm, mit ihrer Hilfe Papagenos Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, ohne zu rufen. Tamino setzte die Flöte an die Lippen und begann zu spielen.
    Vor ihm tauchte das goldene Licht tanzender Glühwürmchen auf, und im schwachen Schimmer sah Tamino die Boten, die ihn hierhergeführt hatten.
    »Wir freuen uns, daß du nach der Flöte greifst, wenn du im Dunkeln bist«, sagte die merkwürdige Stimme – oder sprachen alle drei gleichzeitig? »Die Macht der Flöte liegt darin, allen, die ohne das Licht durch die Dunkelheit wandern, Erleuchtung zu bringen.«
    Tamino glaubte plötzlich, im Klang der seltsamen Stimme etwas wie ein Echo des mächtigen Chors zu

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