Tochter der Schatten - Vara, M: Tochter der Schatten
Sie brannte so stark, dass Gabriella abermals fast übel wurde, und sie brauchte all ihre Kraft, um sich den Schmerz nicht zu sehr anmerken zu lassen. Sie tastete mit der Zunge die Innenseite ihrer Wange entlang und war fast erleichtert. Der Schnitt war tief, aber nicht so tief, dass er ihre Wange ganz durchtrennt hatte.
Und nur wenige Minuten davor hatte sie noch gedacht, es könne nicht mehr schlimmer kommen! Am liebsten hätte sie sich zusammengerollt, alles vergessen und einfach nur geweint. Sie zog eine Wasserflasche heraus, kippte sie über die Wange und wurde von einer Welle der Übelkeit gepackt, als der Schmerz aufbrandete. Tränen quollen aus ihren Augen, dass sie die Umgebung vor ihr nur noch völlig verschwommen sah. Mit zitternden Händen suchte sie die Papiertaschentücher heraus und legte sich einige gefaltet über die Wunde, ehe sie den Schal fest darumband, damit der provisorische Verband nicht verrutschen konnte. Wahrscheinlich war es sowieso vergebliche Liebesmüh, und die Frau hatte, sobald sie zurückkam, noch Schlimmeres mit ihr vor. Gabriella zweifelte keine Sekunde daran, dass die Drohungen todernst gemeint waren.
Die Männer, die diese Schwertschwingerin zurückgelassen hatte, beachteten sie vorerst nicht; erst später kamen zwei von ihnen herüber und rissen ihr den Rucksack aus der Hand, um ihn nach brauchbaren Sachen zu durchwühlen. Gabriella sah teilnahmslos zu, wie sie den Inhalt achtlos ausschütteten und sich daran machten, Gabriellas gesamte Besitztümer unter sich zu verteilen. Am meisten schienen sie sich über die Wasserflaschen zu freuen. Sie sah zu, wie sie sie misstrauisch öffneten, daran rochen und dann gierig einige Schlucke nahmen. Jetzt erst bemerkte sie, wie durstig sie selbst war, und sie nahm verstohlen einen Schluck aus ihrer eigenen Wasserflasche, die die Männer gottlob nicht entdeckt hatten.
Einer von ihnen, der in Gabriellas Augen verblüffende Ähnlichkeit mit einem Schwein hatte, stieß soeben auf ihre Müsliriegel. Er hielt einen hoch. »Schaut mal! Was ist das denn?«
Ein anderer untersuchte den Riegel. »So etwas habe ich schon einmal gesehen. Das essen sie jetzt dort drüben. Hier«, wichtigtuerisch schälte er die Verpackung herunter, »man muss es so öffnen.« Der andere riss ihm den Riegel aus der Hand, biss hinein wie ein Krokodil, kaute und spuckte alles in hohem Bogen wieder aus. »Was ist das denn für Zeugs?«
Gabriellas Magen zog sich zusammen. Die Wunde brannte und pochte zugleich, Tränen liefen ihr die Wangen hinab, und sie tupfte sie vorsichtig ab, damit sie nicht in die Wunde kamen und noch mehr brannten. Um sich abzulenken, schaute sie, was aus ihrem Teddy geworden war. Er war, als diese Kerle den Rucksack ausgeleert hatten, zur Seite gerollt und lag nun unbeachtet einige Schritte neben dem Mann, der ihren Proviant ausgespuckt hatte. Plötzlich wurde der Wunsch, wenigstens diesen kleinen Teddy zu retten, unwiderstehlich. Sie erinnerte sich daran, wie Darran über ihn gelacht und sich dann ernsthaft entschuldigt hatte, als sie ihn zur Rede stellte. Am Ende hatte er sie geküsst. Mit seinen Lippen, seinen Händen, bis ihre Haut unter Feuer gestanden hatte.
Wenn sie nur an diesen Teddy herankam. Gabriella war so allein, so verzweifelt, dass schon der Gedanke, ihn bei sich zu haben, das beruhigende Gefühl des Fells zu spüren, ihn unter der Jacke an sich zu drücken, tröstlich war. Sie überlegte, wie sie am besten dazu kam, als derjenige, der den Riegel ausgespuckt hatte, seine Blicke um sich wandern ließ. Sein Blick näherte sich dem Teddy, glitt darüber hinweg, und Gabriella wollte schon aufatmen, als der Mann auf das kleine Stofftier aufmerksam wurde. Er steckte die Hand aus und packte es. »Was ist das denn?« Er hob seine Beute hoch und zeigte sie den anderen. Die lachten. »Damit spielen die auf der anderen Seite«, sagte einer.
»Spielzeug?« Der Widerling griff den Teddy am Kopf und am Körper und sah zu ihr herüber, lachte sie höhnisch an. Gabriellas Augen wurden groß. Sie öffnete den Mund, um ihn zu bitten, ihr den Teddy zu überlassen, aber zu spät. Ein harter Ruck und der Kopf war ab.
Er warf ihr beide Teile vor die Füße. Sie starrte darauf. Holzwolle quoll aus dem verstümmelten Rumpf, und der abgerissene Kopf sah aus stumpfen Augen vorwurfsvoll zu ihr empor.
In diesem Moment veränderte sich etwas in Gabriella.
Sie wollten sie töten. Als Vorgeschmack hatte diese Bestie von einer Frau ihr die Wange
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