Tochter der Schatten - Vara, M: Tochter der Schatten
Gabriellas wegen hinübergelockt, um sie zu töten. Und du bist nicht der Einzige.« Sein Blick glitt in die Ferne. »Wo befinden sich Malina und der Rest dieses Pöbels?« Er sprach die Worte leichthin, obwohl er wusste, dass er Markus damit nicht täuschen konnte. Markus kannte seinen ehemaligen Schüler zu gut, um zu wissen, dass Darran entschlossen war, nicht nur Malina aufzuspüren und zu töten, sondern auch die anderen, die sie um sich geschart hatte. Gleichgültig, was die Konsequenzen sein mochten.
Markus hob die Schultern. »Ich suche sie bereits, seit ich zurückgekommen bin.« Er setzte sich zwei Armlängen entfernt auf eine sandige Steinbank. »Ich hätte sie doch töten sollen. Dann hätten wir jetzt ein Problem weniger in dieser schönen Welt.«
Darran musterte ihn prüfend. »Ich habe dich in den Nebeln verschwinden sehen«, sagte er schließlich leise.
Markus grinste schief. »Ich habe mich schon gefragt, wann du mich danach fragen würdest.« Er zuckte mit den Schultern. »Sie haben mich wieder ausgespuckt. Vermutlich war ich ihnen nicht mehr knusprig genug.« Sein Grinsen, mit dem er Darran jetzt ansah, war ansteckend. »Es tut gut, dich wiederzusehen, mein Junge, auch wenn wir bei unserem letzten Treffen keine Freunde waren.«
Das stimmte. Markus war Strabos Heerführer gewesen, als sein Vater gegen Strabo in den Kampf gezogen war. Gegen Strabo, gegen die Barriere, gegen das freudlose Leben in Amisaya. Er selbst war natürlich an der Seite seines Vaters gewesen und damit Markus’ Gegner.
»Strabo hat mir gesagt, dass du derjenige warst, der mich aus den Höhlen geholt hat. War es auch deine Idee, mir meine Erinnerungen zu nehmen?« Er sah ihn bei diesen Worten nicht an.
Markus nahm einen tiefen Atemzug. »Ich hatte Angst, du könntest dem Wahnsinn verfallen. Und so hatte ich Zeit gewonnen.«
Darran drehte den Kopf, um seinen Freund zu betrachten. »Du warst auf Strabos Seite. Wie kommt es dann, dass du wie ich Jäger wurdest?«
»Musst du das wirklich fragen? Du?« Markus schüttelte wie in ungläubiger Erheiterung den Kopf. »Ich war dein Schatten, dein Beschützer. Daran hat sich auch nichts geändert, als ich Strabos Ruf folgte, um sein Heerführer zu werden.« Er beugte sich mit ernster Miene vor. »Glaubst du, ich hätte da tatenlos zugesehen und nie versucht, dich zu retten?«
»Du hast dich gegen ihn gestellt«, sagte Darran mit tonloser Stimme.
Markus nickte. »Ich hatte ihm einen Treueeid geschworen, aber dieser entband mich nicht meiner Pflicht dir gegenüber. Alles, was ich damals und später getan habe, geschah aus dieser Pflicht heraus«, fügte er leiser hinzu.
Er wandte sich ab und starrte nun gemeinsam mit Darran in die Richtung, in der die Barriere ihre Welten trennte. Darran trennte sie von Gabriella und Markus von der Frau, die er dort zu lieben gelernt hatte. Darran fragte sich, was geschehen würde, wenn man das Tor wieder öffnete, wenn … Der Gedanke verlor sich in einer brennenden Welle, die durch seinen Körper fuhr. Er rang nach Atem.
Markus fasste nach seinem Arm. »Was ist denn?«
Er fuhr sich über das Gesicht. »Ich … nichts.« Es war ihm beinahe gewesen, als hätte er Gabriella berührt und ihre Gefühle gespürt. Er schüttelte sich leicht. War es möglich, dass er immer noch in gewisser Weise mit ihr verbunden war? Seit seiner Rückkehr war sie ihm nicht mehr so nah, so greifbar erschienen wie jetzt.
»Was gibt es, Rado?« Markus erhob sich, als ein Mann mit stolpernden Schritten auf sie zukam. Er war klein, sein kurzes Haar stand nach allen Richtungen, und der Schweiß rann ihm über Gesicht und Hals. Darran runzelte die Stirn. Auch ihn hatte er schon unter den Neugierigen gesehen, wenn er Entflohene zurückgebracht hatte. Und davor war er oft an Markus’ Seite gewesen. Einer seiner Diener.
»Du wolltest wissen, wenn das Tor wieder benützt wird.«
»Ja! Sprich.«
Darran setzte sich unwillkürlich auf. Das Gefühl, Gabriella zu berühren, verstärkte sich und vermischte sich mit der Vorahnung drohenden Unheils. Etwas schnürte ihm die Kehle zusammen.
»Die Frau«, ächzte der Mann, »Strabos Tochter, ist hindurchgekommen. Sie ist in Amisaya und in Gefahr!«
Neunzehntes Kapitel
Gabriella musste mit trockener Kehle einige Male schlucken, als sie auf die behauenen Steinblöcke zuging. Sie blieb beim ersten stehen und versuchte, die Schrift zu entziffern, die sie an eine Mischung aus Keilschrift, Hebräisch und Arabisch erinnerte. Aber selbst
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