Tochter der Schatten - Vara, M: Tochter der Schatten
völlig anderen Welt.«
»Es hängt mit Gabriellas Herkunft zusammen«, erwiderte Markus sichtlich widerwillig und sehr zögernd. »Gabriellas Vater hat Feinde. Man hat dich fortgeschickt, damit du nicht in ihrer Nähe bist, und hat zusätzlich bezahlte Mörder auf sie angesetzt, Menschen, gegen die Jäger nichts ausrichten können.«
»Das habe ich begriffen, aber sprich deutlicher«, herrschte Darran ihn an. »Was soll das heißen? Wer ist Gabriellas Vater, dass er für diese Menschen hier von Bedeutung sein könnte?«
Er spürte, wie Markus tief Luft holte, ehe er ruhig sagte: »Strabo. Aber ich glaube nicht, dass sie es weiß.«
Darran schloss sekundenlang die Augen, als er begriff, als die Wucht der Erkenntnis über ihn hereinbrach und alles klar wurde. Deshalb also hatte ihre Berührung ihn verändert, ihn aus der Gefühllosigkeit geholt. Strabo war zweifellos mächtig genug, um auch seiner Tochter einige seiner magischen Gaben weiterzugeben. Deshalb also war sie anders als ihre Freundin Rita. »Und ihre Mutter?« Er hatte Mühe, ruhig zu sprechen.
»Ein Mensch.«
Und Strabo war, setzte Darran seinen Gedankengang fort, im Gegensatz zu ihm und seinesgleichen in der Lage gewesen, seine Geliebte in den Armen zu halten, sie körperlich zu fühlen. Ein Kind zu zeugen. Brennender Neid, sogar Hass kochten in Darran hoch. »Weiß er von der Gefahr, in der sie schwebt?«
»Es ist ihm vermutlich nicht bewusst. Andernfalls hätte er die Rebellengruppe, die sich um Malina geschart hat, schon vernichtet. Das allerdings würde wieder Krieg in unserem Land bedeuten. Es gibt viele, die dabei nicht tatenlos zusehen werden.«
»Sie werden es also ungehindert weiterhin versuchen«, sagte Darran mit gepresster Stimme.
»Sie haben es schon seit Jahren versucht, aber sie werden immer geschickter dabei. Es hat gewisse Leute dort mehr als nur ihr Leben gekostet, um mich zu schicken. Und sie müssen Helfer haben, ganz in der Nähe von Strabo.«
»Ich werde sie suchen.« Darran sah hoch, als Markus ihm die Hand auf den Arm legte.
»Sei vorsichtig. Andernfalls findest du dich eines Tages in Amisaya wieder«, warnte Markus. »In der Hölle. Du hast keine Ahnung, was dich erwartet. Nicht nur dieses dreckige, tote Land, das von Verzweifelten und menschlichen Monstern bevölkert ist, sondern tausende Erinnerungen. Dein früheres Leben. Aber das Schmerzhafteste«, fügte er in eindringlichem Ton hinzu, »das Schlimmste ist nicht dieses Land, sind nicht die alten Erinnerungen, sondern jene an sie . Und ich weiß nicht, ob es einen Weg gibt, sie hinüberzuholen.«
***
Die bittere Szene war Darran nur allzu vertraut: Im Hintergrund drängten sich die Schaulustigen, geifernd, sensationslüstern und zugleich verängstigt. Dort war Strabo, wartete unbewegt darauf, den Entflohenen den Nebeln vorzuwerfen. Darran brauchte Markus nur loszulassen, dann wäre alles wie immer. Die Verwandlung, der sich krümmende Leib. Die Nebelwesen.
Darran zögerte jedoch, Markus in diese Welt zu stoßen. Er hasste es schon lange, die schmerzhafte Rückkehr mitansehen zu müssen, sogar bei jenen, die schon getötet hatten, deren Geist verwirrt war. Aber jetzt war es fast unerträglich, zuzusehen.
Markus merkte ihm seine Zweifel an. Er verzog das Gesicht zu einer Grimasse. »Schon gut. Es wird mich nicht unvorbereitet treffen.« Schon sahen sie, wie sich die Nebelwesen näherten, der Pöbel sich geifernd noch dichter herandrängte. »Strabo wird aufmerksam werden«, sagte Markus leise.
»Das soll er auch.« Dieses Mal wandte Darran nicht den Blick ab, als Strabo vor ihn hintrat. Die Miene des Herrschers wechselte von Verwunderung zu Begreifen. Er sah Darran lange schweigend an, schließlich fragte er: »Was willst du, Jäger?«
»Prüfe mich«, forderte Darran ihn auf. »Ich will dir zeigen, was geschehen ist.« Er sollte die Gefahr sehen, die Gabriella drohte. Strabos Blick wurde starr, als er die kühle Herausforderung in seinen Augen sah, und Darran spürte das fast unmerkliche Zögern, ehe der Graue Lord sich mit ihm verband. Es war das erste Mal, dass er Strabo Einlass in Bereiche seines Geistes und seiner Erinnerungen gewährte, die bisher vor ihm abgeschottet gewesen waren. Und auch jetzt gab er noch immer nicht alles preis, nicht seine Liebe und seine Beziehung zu Gabriella.
Er bemerkte Strabos Erschrecken, als Gabriella in seinen Erinnerungen auftauchte. An die Frau, die mit gezücktem Schwert auf sie losging. Neugierig geworden, begann er,
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