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Tochter der Schatten - Vara, M: Tochter der Schatten

Tochter der Schatten - Vara, M: Tochter der Schatten

Titel: Tochter der Schatten - Vara, M: Tochter der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mona Vara
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zu Tabor, »weißt du sehr wohl, wie es Jägern ergeht, die zurückgebracht werden. Du weißt auch, dass sie keine Wahl haben, als dem Befehl zu gehorchen.«
    »Kritik an unserem Herrscher?«, fragte Tabor. In seinen kleinen Augen blitzte Gehässigkeit auf.
    »Du weißt, dass ich ihm immer treu war«, hielt Markus ihm gelassen entgegen. »Du besser als andere.«
    In Tabors Augen glitzerte etwas, das Darran interessiert beobachtete. Angst? Unsicherheit? Oder Zorn über Markus’ selbstbewusstes Auftreten? Die Blicke der beiden Männer kreuzten sich wie blanke Schwerter. Jener von Tabor mit einem nervösen Flackern, der von Markus mit tödlicher Selbstsicherheit.
    Tabor sah als Erster weg. Er wendete sein Reittier. »Haltet Frieden«, herrschte er die Männer an, »sonst landet ihr in den Höhlen. Oder gleich in den Nebeln. Und das«, setzte er mit einem abfälligen Blick auf Darran und Markus hinzu, »gilt gleichermaßen auch für euch.«
    Bei diesen Worten spürte Darran, wie ein Schrecken durch die Männer ging, und ihm selbst lief ebenfalls eine Gänsehaut über den Rücken. Jeder hier fürchtete die Höhlen, manche vielleicht sogar noch mehr als die Nebel. Sie hatten schon existiert, bevor der Erste seines Volkes die früher fruchtbaren Ebenen dieses Landes betreten hatte. Man sagte, sie wären früher der Wohnsitz der Nebelgötter gewesen, der Ahnen seines Volkes. Aber das war lange her.
    Er sah Tabor nach, der, gefolgt von den Wachen, in einer Staubwolke davonpreschte. Kaum hatte er ihnen den Rücken gekehrt, als sich der Kreis wieder enger um Markus und ihn zog. Er hielt sein Schwert gegen einen neuerlichen Angriff bereit, denn jetzt, wo sich die Wachen entfernt hatten, stießen offenbar weitere Männer zu dem Rudel, die sich bisher im Verborgenen gehalten hatten. Sie waren sogar noch besser bewaffnet, mit Bogen, Lanzen, einige trugen sogar Schwerter, die bislang nur der höheren Kriegerschicht vorbehalten gewesen waren.
    Markus sah sie ebenfalls, aber zu Darrans Erstaunen entspannte er sich bei diesem Anblick.
    »Darran wurde nicht schuldiger als jeder Einzelne von euch. Keiner der Männer, die jenseits der Barriere jagten, tat dies aus freien Stücken. Sie wurden gezwungen. Und jetzt genug davon. Ihr vergesst, wem ihr so feindselig gegenübertretet.« Er hob herrisch die Hand. »Verschwindet und lasst uns ziehen.« Zugleich schoben sich die Bewaffneten näher, und jetzt erst erkannte Darran unter ihnen einige Gesichter, ehemalige Getreue seines Vaters. Seine eigenen Leute. Er wagte ein leises Aufatmen.
    Der Rädelsführer hatte die Änderung der Machtverhältnisse auch schon erkannt. »Er soll sich von uns fernhalten«, knurrte er. »Sehr fern. Wir dulden unter uns keine Verräter und Schlächter.« Er gab seinen Männern ein Zeichen, und sie gingen davon, drängten sich durch die Bewaffneten, die sie mit drohendem Ausdruck beobachteten. Darran sah ihnen mit zusammengebissenen Zähnen nach, bis Markus ihm freundschaftlich auf die Schulter schlug. »Lass uns gehen. Sie erwarten uns daheim.«
    Seine Männer schlossen sich um ihn, er nickte ihnen zu, ergriff Hände, die sich ihm entgegenstreckten, blickte in erfreute Gesichter, in einige wenige lachende, öfter in ernste. Mehr und mehr Männer erkannte er. Und viele von ihnen hatten zu Markus’ eigener Truppe gehört.
    ***
    Zu Fuß war man gut drei Stunden unterwegs, um Darrans früheres Heim zu erreichen. Er hatte es damals an der Seite seines Vaters verlassen, um gegen Strabo zu kämpfen, und seitdem nicht mehr betreten.
    Von dem einstmals stolzen Palast, seinen Stallungen, dem lichtdurchfluteten Haus, in dem Diener und Herren gelebt hatten, war nicht viel übrig geblieben. Der Hauptpalast stand noch, aber die niedrigeren Gebäude ringsum waren zum Teil völlig verschwunden, zum Teil waren nur noch Ruinen davon übrig geblieben, deren bröckelnde Mauern aus den Sandverwehungen ragten wie verwesende Finger toter Riesen.
    Unvermittelt blieb er stehen. Seine Erinnerungen hatten nach dem Aufwachen seinen Kopf beinahe zum Bersten gebracht, aber nun schlug die gesamte Fülle seines früheren Lebens über ihm zusammen wie Wogen eines stürmischen Meeres. Sein Heim. Seine Familie.
    »Meine …«, er zögerte.
    »Deiner Schwester geht es gut«, sagte Markus sofort.
    »Und Alderan?«
    »Ihr geplagter Schatten?« Markus lachte. »Den tyrannisiert sie nach wie vor. Es hat sich nichts geändert, auch nicht ihr Temperament. Als Strabo damals entschied, dich außer Gefecht

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