Tochter der Träume / Roman
Typ, der an Traumdämonen glaubte oder an Kolleginnen, die halbgöttliche Wesen waren. Das dachte ich jedenfalls.
»Die Polizei ist wieder da und spricht gerade mit Canning«, teilte sie mir leise mit. »Der ist heute mit Vorsicht zu genießen. Geh ihm also besser aus dem Weg. Und falls er fragt, du warst pünktlich hier.«
Dankbar lächelnd ging ich an ihr vorbei. Es war klar, dass Dr.Canning mir die Schuld dafür gab, dass die New Yorker Polizei ihn immer wieder behelligte. Nancy Leiberman war immerhin meine Patientin gewesen. Gut, vielleicht war ich für ihren Tod verantwortlich, da Karatos sie ja getötet hatte, um mir sein Geschenk zu machen. Aber alles andere hatte er sich selbst zuzuschreiben, denn er hatte sein Gesicht vor jede Kamera gehalten und sich überall als » SUNDS -Experte« vorgestellt.
In meinem winzigen Büro angelangt, hängte ich meinen Mantel auf und ließ mich vorsichtig in meinen Drehstuhl fallen, um meinen Kaffee nicht zu verschütten. Während ich meinen Terminplan für den heutigen Tag durchging, ließ ich den Stuhl jeweils eine halbe Drehung weit nach links und rechts gleiten, und das mehrere Male hintereinander. Zwei Patienten waren für heute Morgen eingetragen – eine Frau, die an meiner Studie über luzide Träumer teilnahm, und ein Mann, der an Alpträumen, verbunden mit einer posttraumatischen Belastungsstörung litt. Den Rest des Tages würde ich in der Schlafklinik aushelfen. Na toll. Ein ganzer Nachmittag unter Cannings Aufsicht fehlte mir gerade noch.
Ich hatte meinen Kaffee noch nicht ausgetrunken, als bereits meine erste Patientin erschien, Megan Murphy, eine Studentin. Megan war seit ihrer Pubertät in der Lage, einzelne Elemente ihrer Träume zu kontrollieren. Ihre luziden Fähigkeiten waren zwar nicht so stark ausgeprägt wie Noahs, aber sie hatten sich seit kurzem enorm gesteigert. Ich war mir nicht ganz sicher, was das zu bedeuten hatte. Möglicherweise gar nichts. Sie hatte gerade eine Menge Stress im Studium, was eine Erklärung für die gesteigerte Traumaktivität sein könnte.
Ich versah ihre Akte mit einer Notiz und nahm mir vor, sie nachts einmal zu »besuchen«, sobald sich das Chaos mit Karatos gelegt hatte. Allmählich litt ich unter Verfolgungswahn – verständlicherweise, wie ich mir sagte – und vermutete überall Geschöpfe aus der Traumwelt, die sich mit meinen Patienten anlegten.
Nachdem Megan gegangen war, hatte ich eine Viertelstunde Zeit, die ich nutzte, um rasch auf die Toilette zu gehen und dann Noah anzurufen. Nach dem fünften Klingeln hob er ab, als ich mir gerade überlegte, was ich auf seinen Anrufbeantworter sprechen wollte.
»Hallo?« Er klang scheußlich.
»Ich bin es, Dawn.« Ich zwirbelte das Telefonkabel zwischen den Fingern. »Ich wollte nur einmal hören, wie es dir geht. Habe ich dich geweckt?«
»Ja.« Seine Stimme klang trocken und rauh, doch er schien sich zu freuen, dass ich anrief. »Aber ich verzeihe dir.«
Ich lächelte. »Wie geht’s dir?«
»Müde. Schlapp.« Dann wurde seine Stimme plötzlich verführerisch. »Ich hatte den Traum meines Lebens.«
Ein warmer Schauer lief mir über den Rücken, verteilte sich über meine Arme und Beine und andere Stellen. »Bist du sicher, dass es nur ein Traum war?«
»Ich denke schon. Es war zu schön, um wahr zu sein.«
Ich errötete und grinste in den Hörer. »Du musst mir alles darüber erzählen.«
»Sehr gern.«
Puh, es wurde ganz schön heiß hier drin, oder lag das an mir? Bestimmt lag es an mir.
Dann hörte ich ihn gähnen. »Entschuldige, ich habe vorhin Vicodin eingenommen.«
Ich war nicht beleidigt, sondern vielmehr beeindruckt, dass er sich an meinen Rat erinnert und ein Beruhigungsmittel eingenommen hatte, das die REM -Phase unterdrückte. Von einer regelmäßigen Einnahme war zwar abzuraten, aber vorläufig waren die kleinen, weißen Pillen die einzige Waffe – außer mir –, die Noah gegen Karatos hatte.
»Dann lasse ich dich jetzt weiterschlafen.« Sein Körper konnte die Ruhe gut gebrauchen. Flirten konnten wir später noch. »Ich rufe dich später noch einmal an.«
»Ist gut. Bis dann, Doc.«
Kaum hatte ich aufgelegt, klingelte Bonnie durch und informierte mich, dass mein nächster Patient da war. Also schob ich die Gedanken an Noah für die nächste Dreiviertelstunde beiseite. Ich würde sie mir für später aufheben, wenn ich mit Dr.Canning arbeiten musste und sie dringend gebrauchen konnte.
Mein nächster Patient war ein junger Mann, der
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