Tochter der Träume / Roman
Menschen, die bei mir waren.
»Offensichtlich hat er sich hinter einer anderen Person versteckt.«
Ich blickte meinen Vater an. »Was du nicht sagst.«
Ein mitfühlendes Lächeln glitt über sein Gesicht. »Wenn du sagst, dass du dich dumm und hilflos fühlst, was meinst du, wie es mir erst geht? Ich kann nicht einmal meine eigene Tochter vor einem meiner Geschöpfe beschützen. Das ist beschämend.«
»Und genau darauf zielt Karatos ab. Er hasst dich.«
Morpheus nickte. »Das gehört dazu in meinem Job.«
»Aber du bist allwissend.«
»Umso beschämender für mich. Ich denke, dass sich Karatos Energie aus den Menschen holt, die er ermordet hat, und diese Energie nutzt, um sich zu tarnen.«
Langsam begann ich zu begreifen. Genau das war auch Antwoines Vermutung gewesen. Ich hatte Karatos beim letzten Mal finden können, weil er Lolas Energie benutzte, aber wenn er die Energie seiner Opfer nutzte … »Und Tote kannst du nicht aufspüren? Nur Träumende?«
»Richtig. Wie du weißt, reisen die Toten mitunter nur durch die Traumwelt.«
»Ja. Das habe ich in dem Buch gelesen, das du mir geschenkt hast.« Plötzlich ergab alles einen Sinn. Die Traumwelt war ein Zwischenstopp für jene Seelen, die auf ihrem Weg in das Schattenland waren – oder in den Himmel oder die Hölle, je nachdem, wie man es sehen wollte. Manch eine Seele konnte sich noch nicht lösen und kam hierher, wo sie noch Kontakt zum irdischen Leben halten konnte. Die Seele konnte hier in der Traumwelt verweilen, sie aber nicht beeinflussen. Sie war hier ebenso ein Geist wie in der menschlichen Welt.
Sollte Karatos sich das zunutze machen …
»Es wird sehr schwierig werden, ihn überhaupt zu finden«, sagte Morpheus und führte meinen Gedanken zu Ende. »Und genau darum möchte ich, dass du und Noah euch aus der Traumwelt fernhaltet.«
»Und wie, bitte schön, soll das gehen?«
Er sah mich an, als wäre ich ein Kind, was ich in seinen Augen vermutlich noch immer war. »Nehmt Schlafmittel oder trinkt Alkohol, was immer ihr Menschen so macht, um mir zu entfliehen.«
»Aber ich will helfen, ihn zu finden.« Wann hatte ich eigentlich begonnen, den Dämon als »er« und nicht als ein »es« zu betrachten?
»Nein.«
»Aber ich bin ein Traumwesen, und das ist meine Aufgabe.«
»Ich habe nein gesagt.« Seine Stimme hatte einen sonderbaren Nachhall – offensichtlich sprach er mit seiner »göttlichen« Stimme. »Und das ist mein letztes Wort.« Noch bevor er den Satz beendet hatte, öffnete sich neben mir ein Portal, ein heller Lichtstreif, der, wie ich instinktiv wusste, geradewegs in meine Wohnung führte. Ich hörte Fudge auf der anderen Seite maunzen. Mein armer, vernachlässigter Kater.
»Geh!«
Und ich ging. Sosehr er mich einmal zum Bleiben genötigt hatte, so sehr drängte er mich nun hinaus. Und seltsamerweise wollte ich jetzt nicht mehr gehen. Doch ich hatte keine Wahl. Hinter mir schloss sich das Portal, und ich trat in das frühmorgendliche Sonnenlicht, das mich in meinem Schlafzimmer umfing. Fudge lag auf meinem Bett und musterte mich aus großen, grünen Augen.
Ich hob ihn hoch, drückte das acht Kilo schwere Bündel fest an mich und lauschte seinem leisen Schnurren. »Diesmal werde ich nicht vor mir selbst davonlaufen, Kumpel«, raunte ich ihm zu, auch wenn ich dabei wie einer Seifenoper entflohen klang. »Ich bin ein Traumwesen, ein dunkler Traum. Und es wird langsam Zeit, dass mein Vater und Karatos mich kennenlernen.«
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Kapitel 17
I ch kam zu spät zur Arbeit. Nicht lange zu spät, aber trotzdem zu spät – und wenn Dr.Canning es nicht schon bemerkt hatte, dann würde es bestimmt bald so weit sein.
Bonnie sah mich mit einem mütterlich-besorgten Blick an, als ich schließlich eintraf. »Alles in Ordnung, Süße?«
Ich nickte. Auf Bonnie war Verlass. Sie würde mich bestimmt nicht verpetzen. »Ja, prima. Danke.«
Was hätte ich auch sagen sollen? Der blaue Fleck, den Karatos mir beigebracht hatte, war fast verheilt. Dafür war mein Make-up heute nur halbwegs gelungen, ich sah blass und mitgenommen aus. Hinzu kam eine gewisse Art von Selbstgefälligkeit, wie man sie nach berauschendem Sex eben an sich hatte. Wahrscheinlich sah ich aus wie ein Drogenjunkie auf der Jagd nach dem nächsten Schuss.
Doch Bonnie bohrte nicht nach, und dafür war ich ihr dankbar. Sie hätte mir ohnehin nicht geglaubt, und der Gedanke, dass sie mich künftig mit anderen Augen sah, schnürte mir fast die Luft ab. Bonnie war nicht der
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