Tochter der Träume / Roman
hatte mich zurück in die Traumwelt gezwungen. Er hatte mit meinen Träumen und mit mir gespielt. Auch wenn er mich diesmal nicht verletzt hatte, fühlte ich mich trotzdem wie vergewaltigt. Verletzen wollte er mich sicher später noch – körperlich, meine ich. Er hatte Nancy Leiberman getötet. Er hatte sein übles Spiel mit Lola getrieben. Und Noah hatte er wie eine Marionette benutzt. Der Dämon hatte mir mein Leben und das der Menschen, die mir nahestanden, zum
letzten Mal
zur Hölle gemacht.
Eine glühende Hitze wallte durch meine Adern, brannte unter meine Haut, bis ich mich wie ein Kessel fühlte, der jeden Moment überkochen würde. Als Kind hatte ich oft gespielt, dass ich Storm oder Phoenix von den
X-Men
war. Ich hatte einen Gegenstand berührt und so getan, als würde ich ihn mit einem Blitzschlag verbrennen oder mittels Telekinese hochheben können. Das hätte ich jetzt auch gern getan, aber ich hatte das unheimliche Gefühl, dass wirklich etwas passieren würde, wenn ich es versuchte.
Plötzlich rempelte jemand gegen meine Schulter und hätte mich fast zu Boden gerissen. »Pass doch auf«, blaffte der Mann, und ich hätte ihn in diesem Moment am liebsten einen Kopf kürzer gemacht. Ich hob langsam den Blick, sah in das mürrische Gesicht des Fremden. Seine Züge erschlafften, und das streitlustige Flackern in seinen Augen wich einem unsicheren, verwirrten Blick. Hatte er Angst vor mir? »Entschuldigung«, murmelte er und lief so eilig durch die Menge fort, als wäre die Polizei hinter ihm her.
Missmutig betrachtete ich mich im Fenster des Gebäudes neben mir. Was zur Hölle?
Mit klopfendem Herzen bog ich in eine ruhigere Seitenstraße ein, lehnte mich gegen eine kalte Häuserwand und kramte in meiner Tasche nach meiner Puderdose, die ich aufklappte, um in den Spiegel zu sehen.
Du meine Güte! Meine Augen waren so blass, dass sie fast farblos erschienen, und es stand außer Frage, was den Kerl so erschreckt hatte. Langsam ließ meine Wut nach, wich Staunen und, ja, auch Furcht, und die blaue Farbe kehrte in meine Augen zurück, wobei die gruseligen, schwarzen Spinnenränder nur allmählich verschwanden.
Dass meine Augen ihre Farbe änderten, war nichts Ungewöhnliches. Viele Traumwesen hatten blasse Augen mit dunklen Pupillenrändern. Auch Karatos. Und mein Vater. Blasse Augen waren lichtempfindlicher, was es leichter machte, durch das Dunkel der Träume zu sehen. Nein, solche Augen waren in der Traumwelt ganz und gar nichts Ungewöhnliches.
Doch in dieser Welt dürfte das eigentlich nicht passieren. Menschliche Augen wechselten nicht einfach die Farbe, nicht so vollständig jedenfalls.
Die Veränderung in meinen Augen war gleichzeitig mit einem Gefühl von großer Macht aufgetreten, und ich war heilfroh, dass ich dem Drang, sie zu entfesseln, nicht nachgegeben hatte. Ich wusste nicht, was das zu bedeuten hatte, aber ich wusste, dass ich dieses Erlebnis vorerst für mich behalten würde.
Was auch immer es damit auf sich hatte, es verhieß nichts Gutes.
Ich saß mit Fudge auf dem Sofa und versuchte, mich beim Fernsehen etwas abzulenken, als Noah anrief.
»Komm zum Abendessen vorbei.« Das war eine Anweisung, und er erwartete offensichtlich keine Widerrede von mir.
Ich starrte auf das Telefon. Waren das die ersten Anzeichen von Aggression? Hatte Karatos bereits Besitz von Noah ergriffen? Nein. Das würde ich wissen.
Und ich wäre wahrscheinlich schon tot. Karatos hätte noch ein Weilchen mit mir gespielt, hätte sich aber nicht lange beherrschen können.
»Was gibt es?«, fragte ich mit einem erleichterten Lächeln.
»Indisch.«
»Mein Lieblingsessen. Wo hast du bestellt?«
Ich hörte ein leises Lachen am anderen Ende der Leitung. »Ich koche selbst.«
Mein Herz hüpfte vor Freude, während mir das Wasser im Mund zusammenlief. Ein Mann, der kochen konnte, noch dazu indisch?
»Wann soll ich kommen?«, fragte ich, schamlos mit ihm flirtend.
»Hmm, gute Frage.« Seine Stimme klang nun tiefer und hatte sich zu einem sexy Grollen gewandelt. »Um wie viel Uhr möchtest du denn kommen?«
Gänsehaut pur. Ein wohliger Schauer rieselte mir über den Rücken, ließ mich erbeben und … oh, meine intimsten Stellen pochten vor Erregung. »Ich will noch ein Bad nehmen und mich umziehen …«
»Baden kannst du auch bei mir.« Wieder die sexy Stimme. Er musste erraten haben, dass ich ihn mir daraufhin zusammen mit mir in der Wanne vorstellte. Noah, nass glänzend und glitschig. Ich schloss die
Weitere Kostenlose Bücher