Tochter der Träume / Roman
schwarze Ledertasche um und machte mich auf den Weg. So viel Tierhaut war zwar nicht gerade PETA -freundlich, aber ich mochte Leder und seine Beständigkeit, und da ich Rindfleisch aß, sah ich kein Problem darin, die Häute dieser Tiere auch zu tragen.
Es war kühl, aber nicht kalt, und so ging ich die paar Blocks zur Fifth Avenue und die weiteren zum Starbucks zu Fuß. Im Starbucks wäre es wärmer als draußen im Central Park, und ich könnte mich vergewissern, dass Antwoine etwas zu essen bekam. Ich wusste nicht recht, ob er einen Job oder überhaupt eine Wohnung hatte. Mir lag genug an ihm, dass ich helfen wollte, soweit ich es konnte.
Antwoine erwartete mich bereits. Er trug die gleiche abgetragene Kleidung wie beim letzten Mal – rotbraune Lederjacke, dunkelbrauner Pulli, alte Cordhose. Doch er sah aus, als wäre er beim Friseur gewesen, und er lächelte, als er mich sah. Ich lächelte ebenfalls und freute mich wirklich, diesen sonderbaren, kleinen Mann zu sehen, der wusste, was ich für ein Wesen war, und sich daran nicht störte.
Über Antwoines finanzielle Situation hatte ich mir völlig unnötig Sorgen gemacht. Denn als es ans Bezahlen ging, zog er eine dicke Brieftasche hervor, die mit Scheinen und Kreditkarten prall gefüllt war, und lud mich ein. Verlegen murmelte ich ein Dankeschön. Man sollte meinen, dass jemand mit meiner Bildung und meiner psychologischen Erfahrung im Umgang mit Menschen nicht solche Vorurteile haben würde. Aber genau das war mir passiert, und ich schämte mich dafür.
»Von was lebst du, Antwoine?«, fragte ich, als wir Platz nahmen.
»Ich bin im Ruhestand«, ließ er mich wissen. »Habe vor ein paar Jahren den Lotto-Jackpot im Staat New York gewonnen.« Ich musste etwas verwirrt geguckt haben, denn er fing an zu lachen. Dann schüttelte er den Kopf und nahm einen Schluck Kaffee.
»Aber du hast mich bestimmt nicht hergebeten, um meine Finanzlage mit mir zu erörtern, nicht wahr, Mädchen?«
Irgendwie fand ich meinen Verstand und auch meine Sprache wieder. »Nein, ich will dir eine Frage stellen, aber zuerst muss ich dir etwas sagen.«
Er brach ein Stück von seinem Muffin ab und schob es sich in den Mund. »Ich habe auch eine Frage für dich. Hast du Madrene gefunden?«
Seine Dämonin. Du meine Güte, die hatte ich ganz vergessen. Aber dafür gab es eine gute Entschuldigung. »Nein, tut mir leid, Antwoine. Es sind so viele andere Sachen geschehen …«
Er hob die Hand. »Entschuldige dich nicht. Aber ich musste dich fragen.«
»Ich werde sie finden, versprochen.«
Er nickte und nahm mich beim Wort, und ich hatte fest vor, es auch zu halten. »Also, was wolltest du mir sagen?«
Es fiel mir schwer. Ich kam mir wie eine Idiotin vor, als hätte ich ihn enttäuscht. »Ich glaube, du könntest in Gefahr sein.«
Er zuckte nicht einmal mit der Wimper. »Das ist nichts Neues, Mädchen.«
Mit wem hatte dieser Mann sonst Umgang? »Es geht um den Traumdämon. Er hat mich vergangene Nacht in Gestalt von Noah, meinem Freund, heimgesucht und mich ausgehorcht. Ich nannte ihm deinen Namen, bevor ich merkte, dass es Karatos war.«
Antwoine zog die Stirn in Falten. »Er kam als dein Geliebter in deinen Traum?«
»Ja, dieser Mistkerl. Und ich wäre fast darauf hereingefallen.«
»Dann muss sich der Dämon Energie von Noah geholt haben.«
»Das habe ich mir auch schon überlegt. Das Gleiche hat er mit meiner Mitbewohnerin gemacht, nur hat er sich da nicht als sie ausgegeben.«
»Solange sie nicht weiß, was du für ein Wesen bist, gibt es für den Dämon keinen Grund, so etwas zu tun.« Antwoine nahm noch einen Schluck Kaffee, während er die Stirn furchte. »Mach dir keine Sorgen um mich. Wo ich mich aufhalte, kann mir der Dämon nichts anhaben. Nichts und niemand kann das.«
Das zu hören, war eine riesengroße Erleichterung. »Gott sei Dank.«
»Du lädst dir zu viel Verantwortung auf, mein Kind. Aber du wolltest mich etwas fragen?«, meinte er mit einem großväterlichen Lächeln.
»Was findet Karatos bloß an Noah? Warum sollte ein Traumdämon regelmäßig einen luziden Träumer verfolgen?« Ich schluckte. »Warum tötet er ihn nicht einfach wie all die anderen?« Außer Lola natürlich.
Vielleicht holt er sie sich ja noch
, flüsterte eine Stimme in meinem Kopf. Doch ich versuchte, sie zu ignorieren.
Antwoine nahm einen weiteren Bissen von seinem Muffin. »Ein Dämon kann sich über sehr lange Zeit von jemandem nähren.«
»Karatos sagt, er wolle Noah nicht töten.
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