Tochter der Träume / Roman
ja zur Kontrolle mitschicken.«
Damit könnte ich den Bogen überspannt haben, denn wenn Dr.Canning beschloss, es darauf ankommen zu lassen, war ich geliefert. Doch ich hatte Glück. Oder vielleicht war es mir einfach gelungen, ihn ziemlich dumm dastehen zu lassen.
»Ihr Ton gefällt mir nicht, Dawn.«
»Tut mir leid, Sir. Aber mir gefällt es nicht, dass hier gepetzt und geschimpft wird, als wären wir im Kindergarten und nicht bei der Arbeit.«
Er lief puterrot an. »Ihr Verhalten …«
Ich schnitt ihm das Wort ab. »Sind Sie mit meiner Arbeit unzufrieden?«
»Es gab ein paar Vorfälle …« Er sprach von Mrs.Leiberman und dem Verhör durch die Polizei. Und natürlich spielte er auf Noah an, der aus der Studie ausgestiegen war.
»Meine
Arbeit
, Sir. Habe ich irgendetwas getan, das Ihren Ansprüchen oder denen der Klinik nicht genügt hätte?«
Er errötete noch tiefer, was seine Haare und Augen noch heller wirken ließ. Er sah aus, als würde er jeden Moment explodieren. »Nein.«
»Dann haben Sie ein persönliches Problem mit mir?« Damit hatte ich ihn. Denn persönliche Probleme konnten in vielerlei Hinsicht negativ auf ihn zurückfallen. Als junge Frau mit guter Ausbildung und akademischen Referenzen könnte ich ihm jede Menge Ärger machen, und das wäre ein gefundenes Fressen für die Presse. Zumal es etliche Laborratten gab, wie ich seine kleine Weibermiliz nannte, denen sich Dr.Canning besonders angenähert hatte.
In diesem Augenblick war mir klar, dass er mich am liebsten auf der Stelle gefeuert hätte. »Ihre Probezeit ist noch nicht vorbei, Dr.Riley. Von jetzt an werde ich alles dokumentieren, was Sie tun. Und ich werde Ihre Ergebnisse genau auswerten. Sie können nur hoffen, dass ich nichts finde.«
Ich erwiderte seinen Blick unverfroren, worauf ich sehr stolz war. »Klingt nach Schikane, Sir.«
Er drehte sich auf dem Absatz um und stürmte aus meinem Büro. Zitternd und benommen blieb ich zurück. Woher kam plötzlich dieser Mut? Ich wusste, woher. Er kam daher, dass ich stärker war als Dr.Canning. Ich wusste, dass ich diese Stärke in mir trug und dass meine Welt nicht so schnell untergehen würde.
Ehrlich, nachdem ich Karatos nun schon einige Male die Stirn geboten hatte, war meine Konfrontation mit Dr.Canning ein Kinderspiel – als würde ich nach etlichen Runden mit einem T-Rex gegen eine Kröte antreten.
Beim Mittagessen wollte Bonnie wissen, was los war. »Canning kam aus deinem Büro gestürmt und sah aus, als stünde er kurz vor einem Herzinfarkt. Was hast du denn zu ihm gesagt?«
Ich erzählte es ihr in allen Einzelheiten. Nicht, weil ich ein Geheimnis nicht für mich behalten konnte, sondern weil ich es gar nicht für mich behalten wollte. Nur für alle Fälle. Wer wusste, was noch kommen würde? Da war es ganz gut, wenn jemand meine Seite der Geschichte kannte und sie bezeugen konnte.
Bonnie lachte, als ich geendet hatte. »Da hätte ich zu gern Mäuschen gespielt.«
Ich tunkte ein Stück Brot in meine Suppe. »Du magst Canning nicht besonders, oder?«
Sie betrachtete mich kurz und schien zu überlegen, ob sie mir etwas anvertrauen konnte oder nicht. Als sie anfing zu sprechen, wusste ich, dass sie sich zu meinen Gunsten entschieden hatte. »Nachdem Tony gestorben war, war ich wirklich einsam, verstehst du?«
Ich nickte. Ich hatte zwar keine Ahnung, wie es war, die Liebe seines Lebens zu verlieren, konnte mir aber gut vorstellen, dass es schrecklich sein musste.
»Dr.Canning ist einmal sehr gut zu mir gewesen. Und ich schätze, man kann sagen, dass ich sehr anhänglich wurde, was ihn betraf.«
Mir blieb der Mund offen stehen. »Er hat dich verführt?«
Sie zuckte mit den Schultern und pickte an ihrem Frikadellensandwich herum. »Ich schätze schon, wobei ich denke, dass ich den ersten Schritt gemacht habe. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass er es darauf angelegt hat. Egal, er hat die Sache dann beendet und sich eine Jüngere, noch Anhänglichere genommen.«
Ich hatte Mühe zu schlucken, so angewidert war ich. »Wie kannst du da noch für ihn arbeiten?«
Sie zuckte erneut mit den Schultern, während sie von ihrem Sandwich abbiss. »Als Empfangsdame verdiene ich ganz gut. Ich bekomme Zusatzleistungen und habe schließlich Kinder, an die ich denken muss. Damals waren sie noch ziemlich klein und standen immer an erster Stelle. Und heute …«
Heute war sie eine Mitt- oder Endvierzigerin und glaubte, dass niemand sie mehr einstellen würde.
»Das ist übel.«
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