Tochter der Träume / Roman
bemerkt hatte, dass ich kräftig gewürztes Essen sehr mochte.
Sinnlich
, hatte er mich damals genannt.
Wir bestellten Getränke, Vor- und Hauptspeisen. Ich wartete, bis die Getränke und Vorspeisen kamen, und wagte erst dann, auf das eigentliche Thema zu kommen.
»Gut. Erklären Sie mir, weshalb Sie meinen, dass Ihre Träume Ihnen etwas antun wollen.«
Noah schob sich einen Bissen scharfe Würzkartoffel mit Kichererbsen in den Mund. Ich kann mir nie die Namen der Gerichte merken, ich weiß nur, dass sie alle verdammt lecker schmecken. Er kaute genüsslich und schluckte. »Es sind weniger die Träume selbst, sondern vielmehr das, was darin vorkommt.«
Ich nahm ebenfalls einen Bissen auf meine Gabel. »Und was soll das Ihrer Meinung nach sein?«
Ich sah auf und bemerkte, dass er mich anstarrte – eindringlich. »Machen Sie sich über mich lustig?«
Ich stockte mitten im Kauen und schluckte. Wenn er wüsste. »Nein.« Ich hoffte nur, ja, betete förmlich, dass er sich das alles bloß einbildete.
Er seufzte. »Schön. Können Sie dann bitte aufhören, so zu reden, als würde ich mir alles nur ausdenken?«
Klar konnte ich das, ich wollte nur nicht. »Ich glaube nicht, dass Sie sich das alles ausdenken.«
»Aber Sie glauben auch nicht, dass es wirklich so ist?«
Doch, aber würde er mich nicht für völlig durchgedreht halten, wenn ich ihm das sagte?
»Ich weiß ja noch nicht einmal, was Sie mit ›es‹ meinen.« Ich seufzte. »Noah, mein Job ist nun einmal die menschliche Psyche – aufzudecken, was bestimmte Gefühle in Ihnen auslöst, und Ihnen zu helfen, damit umzugehen.« Ich hatte nicht vor, ihn mit dieser Erklärung zu verärgern, aber als Wissenschaftlerin durfte ich nicht glauben, dass irgendetwas in seinem Unterbewusstsein plötzlich auftauchte und ihn zu töten versuchte.
Doch der nicht-menschliche Teil in mir glaubte ihm und fürchtete sich.
Ich versuchte es erneut. »Warum erzählen Sie mir nicht einfach den Traum, damit ich besser verstehen kann, was Ihnen widerfahren ist.«
Er legte die Gabel aus der Hand. Im Schein der Tischlampe sah ich die Müdigkeit in seinem Gesicht. Es spielte keine Rolle, was ich dachte, es war offensichtlich, dass ihm etwas den Schlaf raubte.
Wie auch immer, das hier war mein Job. Und Noah war mehr als nur ein Patient für mich. Ich mochte ihn und wollte nur das Beste für ihn, betrachtete ihn auf gewisse Weise als guten Freund.
Wem wollte ich etwas vormachen? Dieser Mann war unter den ersten fünf auf meiner persönlichen Lieblingsmännerliste gleich hinter Johnny Depp und vor Jensen Ackles.
»Vor ein paar Wochen fing alles an.« Er blickte auf seinen Teller und sah mich nicht an. »Ich versuchte, den Traum zu wandeln, aber es ging nicht.«
Das war zwar ungewöhnlich für ihn, nicht aber ungewöhnlich an sich. Manchmal war das Unterbewusstsein eben ein klein wenig stärker. Oder der Traum schaltete auf stur. »Das kommt vor, oder?«
Er nickte, hob den Blick und sah mich an. Dann legte er beide Arme auf den Tisch, womit er die körperliche Distanz zwischen uns ein gutes Stück verringerte und uns einen eigenen kleinen Kosmos schuf.
»Deshalb machte ich mir zunächst nichts weiter daraus. Doch dann wurde es schlimmer.«
»Schlimmer? Inwiefern?«
»Es gibt da diesen Kerl.« Er legte die Stirn in Falten, und ich verspürte den Impuls, sie glatt zu streichen. »Ich weiß nicht, wer er ist, aber er taucht immer wieder in meinen Träumen auf. Zuerst hat er einfach nur geredet. Ich habe ihn ignoriert, doch dann ist er tätlich geworden.«
Das kam mir sehr vertraut vor. »Sexueller Art?«
Er wirkte gekränkt. »Nein, lieber Himmel, Doc!«
Ich zuckte mit den Schultern, versuchte, mir nicht anmerken zu lassen, dass ich erleichtert war und es gleichzeitig als bitter empfand, dass er glimpflicher davongekommen war als ich in meinem Traum. »Fahren Sie fort.«
»Er wurde aggressiv – stieß und bedrängte mich, versuchte, mich zum Kampf anzustacheln. Letzte Nacht hat er versucht, mich zu erdolchen, aber da bin ich aufgewacht.«
Ich musste an die Art von Stößen denken, die der Kerl in meinem Traum mir verpasst hatte. »Erinnern Sie sich, wie er ausgesehen hat?«
Die Furchen auf seiner Stirn wurden tiefer, als er versuchte, ein Bild vor seinem geistigen Auge heraufzubeschwören. Als er dabei mit dem Finger sacht über meine linke Hand strich, bekam ich eine Gänsehaut. Doch das schien Noah gar nicht zu bemerken. »Er hatte seltsame Augen. Ich kannte ihn
Weitere Kostenlose Bücher