Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tochter der Träume / Roman

Tochter der Träume / Roman

Titel: Tochter der Träume / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathryn Smith
Vom Netzwerk:
hinter mich, während ich die Beine übereinanderschlug. »Ich habe das Gefühl, dass Sie etwas Wichtiges loswerden wollen.« Und mit »wichtig« meinte ich alles andere als
meine
Träume.
    Er betrachtete die Fotogalerie an der Wand neben meinem Schreibtisch und schien es auf einmal nicht mehr so eilig zu haben. »Ist das Ihre Mutter?«
    Er sah das Bild nicht zum ersten Mal, hatte aber bislang nichts dazu gesagt. Es war nicht seine Schuld, dass er es jetzt tat, doch so unmittelbar nach Ivys Anruf löste das in mir einen neuerlichen Sturm an Schuldgefühlen aus.
    »Ja.« Das Foto war entstanden, als sie mit mir schwanger gewesen war. Sie sah glücklich darauf aus – fast so glücklich wie jetzt, da sie in tiefem Schlaf lag.
In Morpheus’ Armen
– wie Ärzte sagen. Wie passend. Doch sie war nicht morphinabhängig, wie der Begriff in manchen Fällen zu deuten war. Es war vielmehr so, dass meine Mutter in einen tiefen Schlaf gesunken war, aus dem man sie nicht mehr zurückholen konnte. Sonst schien ihr nichts zu fehlen, auch ihre Gehirnströme waren normal.
    Das Miststück schlief einfach nur. »Sie sieht hübsch aus.« Er sah mich an. »Sie sehen ihr ein bisschen ähnlich.«
    War das nun ein Kompliment oder eine Beleidigung? Entweder war ich fast so hübsch wie sie oder so gut wie gar nicht. »Ich glaube nicht, dass Sie gekommen sind, um mit mir über meine Mutter zu sprechen.«
    Er holte tief Luft, während seine langen Finger den Pappbecher umklammert hielten. »Stimmt.«
    Herrje, was, wenn er gekommen war, um mir zu sagen, dass er nicht mehr mit mir arbeiten wollte? Noah war einer meiner Lieblingspatienten. Es war erbärmlich, so zu denken, aber es stimmte. Seine Fähigkeit, seine Träume zu steuern, verblüffte mich immer wieder, und ich wollte keinesfalls darauf verzichten.
    Und ich wollte nicht auf ihn verzichten.
    Ich konnte nicht einfach länger stumm dasitzen. »Noah, warum sind Sie hier?«
    Mit starr geöffneten Augen sah er mich an. »Ich glaube, meine Träume wollen mich töten.«

[home]
    Kapitel 4
    W
as?«
Zugegeben, nicht gerade eine besonders geistreiche Reaktion, aber sie kam aus dem Bauch – und mein inneres Gleichgewicht war auch schon einmal besser gewesen.
    Noah rutschte unruhig auf dem Stuhl hin und her, lehnte sich etwas vor und stützte die Arme auf seine Oberschenkel. Der Stoff seiner Jeans war an dieser Stelle schon so dünn, dass er jeden Moment reißen konnte. »Ich weiß, wie das klingt …«
    »Ich bin nicht da, um zu werten.« Ich wand mich innerlich. O Gott, hatte ich das eben wirklich gesagt? Ich hatte ohnehin schon oft genug Schwierigkeiten, mich daran zu erinnern, dass ich Ärztin war, und jetzt flüchtete ich mich in dieses Psychogeschwafel?
    Er blinzelte und rieb sich mit seinen langen, farbbeklecksten Fingern das Kinn. »Es klingt verrückt, ich weiß.« Er klang hingegen völlig normal, was mir Angst machte – und das nicht aus rein medizinischen Gründen.
    An diesem Punkt hätte ich ihm sagen müssen, dass er sich irrte oder dass mir das Wort »verrückt« nicht gefiel. »Aber Sie glauben es?«
    Diesmal blinzelte er nicht, sondern hielt meinen Blick mit seinen dunklen Augen gefangen. »Halten Sie mich für verrückt?«
    »Nein«, erwiderte ich prompt. Doch etwas stimmte da nicht. Wenn ein Mann wie er, der normalerweise seine Träume sehr gut kontrollieren konnte, so eine Aussage traf, dann musste etwas passiert sein. Doch ich war noch nicht bereit zu glauben, dass es etwas mit der Traumwelt und nicht mit Noahs Verstand zu tun hatte. Noch nicht.
    »Im Allgemeinen rühren solche Träume von einem tieferen Problem her – einer Angst oder einem Konflikt, die das Unterbewusstsein verarbeiten will. In Ihrem Fall könnte es in der Kindheit begründet liegen.« Er hatte nie mit mir über sein Leben vor der Scheidung seiner Eltern gesprochen, nur über die Jahre, die er anschließend mit seiner Mutter zusammengelebt hatte. Seinen Vater hatte er nie auch nur mit einem Wort erwähnt.
    Er lachte – ein abruptes Bellen, das mich erschreckte. »Nein, es hat nichts mit meiner Kindheit zu tun.«
    Da meldete sich eine leise Stimme in meinem Kopf. Irgendetwas in seinen Träumen wollte ihn vielleicht wirklich töten. Warum musste ich unbedingt wissen, dass das auch möglich war? Wie sollte ich distanziert und analytisch bleiben, wenn ich wusste, dass es Phänomene gab, die der Wissenschaft trotzten – wie ich selbst eines war. Dennoch musste ich mich der Sache auf professionelle

Weitere Kostenlose Bücher