Tochter der Träume / Roman
verheiratet. Verheiratet!
Nein. Moment. War er nicht. Nicht mehr – wie er gerade behauptet hatte. Mir gegenüber hatte er Amanda nie erwähnt. Nie.
Ich brauchte einen Drink.
Mia maß mich mit einem triumphierenden Blick. Offenbar sah sie mich als Bedrohung an. Sollte ich mich geschmeichelt fühlen oder ihr einfach eine scheuern, wozu ich gute Lust hatte? Das Lächeln stand ihr noch im Gesicht, als Noah ihre Worte mit einem Achselzucken abtat.
»Haarspaltereien«, zirpte sie daraufhin.
Noah sah sie an, als wäre er ihr am liebsten an die Gurgel gegangen. Doch seine Bewegungen waren langsam und beherrscht, als er sich von ihr abwandte. Ich sah ihr an, dass sie gekränkt war, doch sie war schließlich nicht zu uns gestoßen, um sich der Zuneigung ihres Bruders zu versichern. Es ging ihr darum, mich zu vergraulen, da sie ihn offensichtlich wieder mit Amanda zusammenbringen wollte.
Amanda tat mir in diesem Augenblick fast ein bisschen leid. Ich sah ihr an, wie unbehaglich sie sich fühlte. Und auch Noah fühlte sich nicht gerade wohl in seiner Haut. Die Einzige, die offenbar ihren Spaß hatte, war Mia – das Biest.
Das war mir alles viel zu abgefahren.
»Schön, Ihre Bekanntschaft gemacht zu haben«, log ich. »Aber jetzt entschuldigen Sie mich bitte, ich muss gehen.« Ich schwenkte auf dem Absatz herum und eilte, so schnell ich konnte, in Richtung Garderobe. Sollte Mia ruhig denken, dass sie gewonnen hatte. Sollte Noah meinetwegen dasselbe denken. Das Einzige, was mich im Augenblick tatsächlich ängstigte, war die Tatsache, dass Noah wusste, was ich war. Was, wenn er von mir verlangte, ihn fortan in seinen Träumen zu schützen? Ihn vor Karatos zu schützen?
Das war zu viel Verantwortung.
Ich war noch nicht am Ausgang angelangt, als mich plötzlich eine Hand am Arm fasste, was sogleich die neugierigen Blicke der umstehenden Gäste auf uns zog. Noah, der einer aufgelösten Frau quer durch die Galerie nacheilte.
»Doc, warte!«
Ich ging weiter, fragte mich, wie viele Blicke uns wohl folgten, wenn er mir bis zum Ausgang hinterherlaufen müsste?
»Dawn.«
Beim Klang seiner Stimme, die meinen Namen rief, war es um mich geschehen. Das heisere Flehen genügte, und ich blieb abrupt stehen. Was war ich doch für eine schwache Frau.
Ich drehte mich zu ihm um. Das war der zweite Fehler. Der erste war, überhaupt in die Galerie gekommen zu sein. Seine Miene war ernst. Wenigstens lachte er mich nicht aus. Nicht erkennbar jedenfalls.
Ich blickte ihm in die dunklen Augen, schwelgte ein wenig darin und wartete, was er zu sagen hatte.
»Amanda und ich sind seit zwei Jahren geschieden.« Na großartig, er wusste also auch, dass ich eine Schwäche für ihn hatte. Was war dieser Kerl bloß – ein verdammter Gedankenleser?
»Klar, deine ›Ex‹. Sagtest du bereits.« Ich klang kühl und beherrscht. Gut gemacht.
Er zuckte nicht einmal mit der Wimper, und meine Bemerkung prallte einfach an ihm ab. Man brauchte viel Übung, um so ungerührt zu wirken, und natürlich fragte ich mich, was die Ursache dafür war.
»Meine Schwester hat große Probleme, sich damit abzufinden.«
Das war eine so absurde Untertreibung, dass ich mir ein Lächeln nicht verbeißen konnte. »Ach, wirklich?«
Jetzt lächelte auch Noah. »Bleib.« Es klang weniger wie ein Befehl, eher nach einer Bitte. »Ich gehe nachher noch mit ein paar Leuten aus. Komm mit.«
Wieder einer dieser Befehle, die wie eine Einladung klangen. »Wir haben eine Menge zu bereden«, bemerkte ich leise. Wem wollte ich eigentlich etwas vormachen? Ich wollte mehr Zeit mit ihm verbringen, und ich wusste, dass das gefährlich war.
Seine Hand strich über meinen Arm. »Sag einfach, dass du bleibst und später mit mir mitkommst.«
Da mein Verstand komplett ausgesetzt hatte, brachte ich nur noch ein Seufzen hervor und nickte. »Gut, ich bleibe«, sagte ich, verlor aber kein Wort darüber, ob ich später noch mitkommen würde.
Noah lächelte. Ich fühlte mich in diesem Augenblick ziemlich selbstsicher, so sehr, dass ich Mia sogar angrinste, als ich bemerkte, dass sie uns missmutig beäugte. Ich war ja
so
reif für mein Alter.
Noah wich mir den Rest des Abends kaum mehr von der Seite. Ich war nicht sicher, ob er nur Angst hatte, ich könnte mich davonmachen, wenn er mich nicht ständig im Blick behielt, oder ob er mich wirklich um sich haben wollte. Aber eigentlich spielte das keine Rolle. Ich beschloss, den Abend einfach zu genießen, und lernte jede Menge neue Leute
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