Tochter der Träume / Roman
Moment geküsst. Und ich hätte alles mit mir geschehen lassen, auch wenn mir leise Zweifel wegen seiner Ex-Frau gekommen waren. Gegenseitiges Vertrauen war mir enorm wichtig, besonders vor dem Hintergrund, dass meine treulose Mutter ihre Familie im Stich gelassen hatte.
»Wer hatte die Affäre?«, fragte ich fast atemlos. »Amanda oder du?«
Das Feuer in Noahs Augen erlosch augenblicklich, und er wirkte schockiert und, ja, fast schmerzlich getroffen. »Wer hat dir davon erzählt?«
Überflüssige Frage. »Mia.«
»Verdammt!« Noah presste die Kiefer zusammen, während er sich prüfend umsah, dass keiner der Umstehenden mithören konnte. Die Hände in die schmalen Hüften gestemmt, wirkte er angespannt, ein wenig furchteinflößend und überaus sexy. Er wandte sich wieder mir zu. »Was hat sie dir noch erzählt?«
»Sie wollte lediglich wissen, ob ich davon wusste.« Jetzt wurde mir klar, dass sie mich wahrscheinlich absichtlich darauf angesprochen hatte, weil sie Noahs Reaktion vorhergesehen hatte.
Er starrte mich an, als wollte er sich direkt in meine Gedanken bohren. Ich begegnete seinem Blick und änderte nichts an meiner Haltung, meine Miene blieb offen. Er sollte nicht denken, dass ich ihn deshalb verurteilte, andererseits konnte ich mir nicht vorstellen, etwas mit ihm anzufangen, wenn ich das Gefühl hatte, ihm nicht vertrauen zu können.
»Sie ist es gewesen.« Er flüsterte fast, und sein Blick war leer. »Zufrieden?«
Ups, da schwang eine Menge Wut mit – die er in die falsche Richtung lenkte. Ich hob das Kinn. »Meine Mutter hat meinen Vater betrogen. Herausgekommen bin ich dabei.«
So. Wir hatten also beide schmerzliche Erfahrungen gemacht. Jetzt standen wir da und sahen einander schweigend an. Wer uns in diesem Moment beobachtete, hätte fast Rauch aufsteigen sehen können, so intensiv war unsere Verbindung.
»Ich habe Hunger«, sagte Noah plötzlich und durchbrach die Spannung. »Können wir gehen?«
Das konnten wir, und damit war die Sache erledigt. Ich wusste nicht, ob die Vernissage bereits offiziell zu Ende war oder ob er einfach verschwinden wollte, aber es war mir schlichtweg egal. Er sprach noch mit einigen Leuten, schüttelte noch ein paar Hände, und dann gingen wir.
Es war seltsam, aber es kam mir vor, als hätte sich etwas zwischen uns verändert – zum Besseren. Zugegeben, wir waren noch ein wenig unsicher im Umgang miteinander, aber das war nicht schlimm.
Es war eine schöne Nacht, weshalb wir zu Fuß zum Restaurant gingen und hauptsächlich über die Ausstellung redeten, die, wie es aussah, ziemlich erfolgreich verlaufen war. In ein oder zwei Tagen würde Noah wissen, wie viel sie eingebracht hatte. Ansonsten sprachen wir nicht weiter über sein oder mein Einkommen, und das war völlig in Ordnung so. Es war nicht wichtig.
Ich war froh und dankbar, dass er den
Dunklen Traum
nicht zum Verkauf angeboten hatte. »Es würde mich gruseln, wenn ich wüsste, dass ich bei irgendwem an der Wand hänge.«
Er schob die Hände in die Taschen seines schwarzen Kurzmantels und warf mir einen Seitenblick zu. »Und wenn du wüsstest, dass du bei mir an der Wand hängst?«
Ich zuckte mit den Schultern und unterdrückte ein Schmunzeln. »Damit habe ich kein Problem.«
»Und wenn es die Schlafzimmerwand ist?«, sagte er mit einem frechen Grinsen und einem Strahlen in den Augen.
Ich fühlte Freude und Bestürzung, beides für sich und doch alles auf einmal. Ich blieb stehen, weil mich meine Beine nicht mehr tragen wollten. »Oh.«
»Ist das alles?«
Ich wandte den Blick ab. »Warum flirtest du mit mir? Hat dir der Dämon etwa erzählt, dass ich leicht zu haben bin?«
»Der Dämon?«
Ich schaffte es, ihm wieder in die Augen zu sehen … und weiterzugehen. »Ganz genau. Das Etwas aus deinem Traum. Es ist ein Dämon. Wie der Schwarze Mann.«
»Und wieso sollte der mir erzählen, dass du leicht zu haben bist?«
Weil ich mich ihm nur allzu willig hingegeben hatte. Ich knirschte mit den Zähnen. »Hat er?«
Ich spürte, wie Noah mich ansah. »Nein.« Er schwieg kurz. »Dann gibt es ihn tatsächlich, diesen Dämon?«
Ich schob die Hände in die Taschen. »Ja. Er ist real.« Ich blickte stur geradeaus. »Wann hat er dir von mir erzählt?«
»Vor ein paar Wochen – bevor du in meinen Traum gekommen bist. Bis dahin habe ich ihm kein Wort geglaubt.« Er klang auch jetzt noch nicht ganz überzeugt.
Ich nickte. »Er wird dich bald nicht mehr behelligen.«
Sein Blick streifte mich erneut.
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