Tochter der Träume / Roman
ihn in einem Drogeriemarkt kennengelernt. Von ihm habe ich auch den Namen Karatos. Warum hast du ihm die Fähigkeit zu träumen genommen?«
Morpheus wirkte zutiefst gekränkt. »Das habe ich nicht. Ein Mensch stirbt, wenn er nicht träumt. Nein, ich habe ihm seine eigene kleine Welt gegeben, damit er sich gefälligst aus meiner heraushält, verdammt noch mal.«
Es war das erste Mal, dass ich ihn fluchen hörte. »Was hat er denn angestellt?«
»Er hat die Gesetze gebrochen.«
»Welche genau?«
»Meine«, antwortete er mit entrüsteter Miene.
»Ach, komm schon.« Ich nippte an meinem Kaffee. Lecker. »Wieso sagst du es mir nicht einfach?«
Seine Miene war eine Mischung aus Schmerz und Mordlust. »Er hatte ein Verhältnis mit einem Sukkubus.«
Ich verzog das Gesicht. »Ach? Dafür sind Sukkubi doch bekannt.« Sukkubi, weibliche Dämonen, waren so etwas wie sexbesessene Luder, die ihre Energie daraus zogen, dass sie schlafenden Männern einheizten.
»Aber nicht ausschließlich mit einem Mann.«
Aha. »Und ›ausschließliche‹ Beziehungen mit einem Menschen zu haben, ist tabu?«
Er wusste, worauf ich anspielte. Ich sah es ihm an, denn seine Miene zeigte nun Schmerzen. »Jawohl.«
»Für dich scheint dieses Gesetz ja nicht zu gelten, nicht wahr?« Das saß.
»Das ist etwas völlig anderes. Es gibt schließlich dich, und das ändert alles.«
»Jetzt schieb es nicht auf mich. Ich bin lediglich das Ergebnis eurer Beziehung.«
Er starrte mich zornig an, aber ich fürchtete mich nicht. Er war mein Vater, und ich wusste, dass er mir niemals etwas antun würde, egal, wie wütend er wurde. Ich mochte ihn nicht leiden, aber ich vertraute ihm. Seltsam, nicht?
»Dann hat Antwoine dich zu töten versucht, als du von ihm verlangt hast, sein Verhältnis mit dieser Dämonin zu beenden?«
Er presste die Zähne zusammen. Das war mir Antwort genug. »Ja. Können wir jetzt das Thema wechseln?«
Ich lächelte ihn an, genoss das kurze Vergnügen, ihn aus der Fassung gebracht zu haben. »Klar. Worüber möchtest du denn sprechen? Über die Erwartungen, die du an mich hast?« Ich hatte kaum geendet, als es an der Tür klopfte. Dass die Bibliothek eine Tür hatte, war mir bislang nicht aufgefallen.
Morpheus warf mir ein selbstgefälliges Lächeln zu, das mich an meinem Vertrauen zweifeln ließ. »Herein.«
Die Tür ging auf, und herein kam ein wahres Prachtexemplar an männlicher Schönheit, wie ich noch keines gesehen hatte. Er war groß, hatte breite Schultern (wofür ich eine Schwäche hatte) und kurzes, dichtes, schwarzes Haar. Seine Augen hatten die Farbe von Eis, die hohen Wangenknochen waren zum Sterben schön, und sein Kinn wirkte wie gemeißelt. Und das Beste an ihm – er schien sich seiner Wirkung nicht einmal bewusst zu sein. Ein Inkubus – die männliche Version eines Sukkubus – war er definitiv nicht. Inkubi strotzten nämlich geradezu vor Eitelkeit.
»Ihr habt mich gerufen, Mylord?«, sprach Seine Herrlichkeit meinen Vater an.
Morpheus winkte ihn herein. »Jawohl. Ich möchte, dass du meine Tochter Dawn kennenlernst.«
Und dann wandte sich dieser schöne Mann mit dem Blick eines hungrigen Löwen, der eine Gazelle anvisierte, mir zu.
»Dawn.« Es klang ein wenig abfällig.
Ich sah meinen Vater an. Was, zum Teufel, hatte das zu bedeuten?
Morpheus’ Lächeln verflog, und die Angst fuhr mir wie eine Faust in die Magengrube. »Dawn, das ist Verek, ein Meister der Traum-Garde.«
»Oh!« Etwa einer von denen, die mich nicht hier haben wollten?
»Er wird dein Training leiten.«
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Kapitel 9
N ein!« Ich warf einen kurzen Blick auf den gutaussehenden Traummann, der mich anstarrte, als wollte er mich am liebsten verschlingen. »Nichts für ungut, aber ich werde mich keinesfalls in deine Hände begeben.«
»Das nehme ich dir nicht übel«, erwiderte er mit samtweicher Stimme.
Mein Vater schien sich über meine Weigerung eher zu amüsieren als zu ärgern. »Verek ist ein Nachkomme deiner Tante Eos. Nach ihr bist du benannt, Dawn – schon vergessen?«
Natürlich wusste ich, wer Eos war, die Göttin des Morgenlichts – vollkommen ignorant war ich nicht, was meinen Familienstammbaum anging. »Nein, habe ich nicht. Trotzdem glaube ich, dass das diesen Actionhelden hier nicht davon abhalten wird, mich windelweich zu prügeln.« Für mich sah der Kerl aus wie der Spartanerkönig Leonidas aus dem Action-Streifen
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, es fehlte nur noch das Lederhöschen.
»Er wird dir nichts tun«, beteuerte
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