Tochter der Träume / Roman
weiß noch, dass ich an dich dachte und daran, dass ich nicht vor deinen Augen sterben wollte. Und dann warst du plötzlich da.«
»Also hast du nichts weiter getan, als an mich zu denken?«
Er zuckte mit den Schultern und nahm noch einen Schluck Bier. »Ja, ich schätze schon.«
»Wenn Karatos zu dir zurückkehrt, dann will ich, dass du wieder an mich denkst. Er kann uns nicht beide töten.«
Er schnaubte spöttisch. »Ach ja?«
»Ich bin ein Traumwesen«, sagte ich mit mehr Überzeugung, als ich fühlte. »Und als solches sollte ich imstande sein, dem Ding die Hölle heißzumachen.«
»Sollte?«
»Mental kann ich wohl mit ihm mithalten, aber ich bin keine ausgebildete Kämpferin.«
Seine Miene erhellte sich. Ich erkannte einen Funken Hoffnung, und auch ein wenig Rachelust. »Oh, da kann ich dir helfen.«
Ich hatte gehofft, dass er das sagen würde. »Willst du mich trainieren?«
»Ich habe die Schlüssel zu Warrens Dojo, seinem Übungsraum. Wenn du willst, können wir gleich morgen damit anfangen.«
»Und ob ich will.« Wir könnten in dieser Welt mit dem Training beginnen und es später in die Traumwelt verlagern. Wir wären wie Morpheus und Neo aus dem Film
Matrix
.
Das Leuchten in seinen Augen wurde warm und weich, als er mich ansah. Ich wusste, was nun kommen würde – und ich wollte es auch. Als Noahs Lippen die meinen berührten, gab ich mich seinem süßen, innigen Kuss hin. Ich schmiegte mich in seine Arme und ließ alle Gedanken fallen, die nichts mit ihm zu tun hatten. Ich wollte glauben, dass ich eine ganz normale Frau war und er ein ganz normaler Mann.
Und das glaubte ich wirklich. Für eine kleine Weile.
Antwoine saß auf derselben Bank wie beim letzten Mal und wartete auf mich.
»Für jemanden, der aus der Traumwelt verbannt ist, bist du leicht zu finden«, bemerkte ich spitz und setzte mich neben ihn. Das verwitterte Holz fühlte sich kühl an durch meine Jeans, und ich wünschte, ich hätte mir eine Mütze aufgesetzt. Antwoine trug eine – rot-gelb-lila gemustert, mit einem Bommel.
Ich hatte ihn vergangene Nacht aufgespürt – von meinem eigenen Bett aus, wohlgemerkt – und ihm die Nachricht übermittelt, dass ich heute im Park sein würde. Dass ich mit ihm sprechen musste.
Ich war noch etwa eine Stunde bei Noah geblieben und hatte dann ein Taxi nach Hause genommen. Wir hatten noch etwas auf dem Sofa geknutscht, doch glaube ich, dass er die Sache nicht allzu weit vorantreiben wollte, aus Rücksicht auf meine Gefühle, wegen der Begegnung mit Karatos.
Und da ich ohnehin nicht genau wusste, ob ich schon für Sex bereit war, war mir seine Zurückhaltung recht gewesen. Es gab keinerlei Ähnlichkeiten zwischen ihm und Karatos, und ich verlangte mit jeder Faser meines Körpers nach Noah, doch war ich deswegen nicht in Eile.
Antwoine sah mich aus schokoladenbraunen Augen an. »Er hat mich lediglich in die entlegenen Außenbezirke seines Reichs geschickt. Er hätte mich nicht ganz verbannen können, ohne seine Hände mit Blut zu beflecken.«
Mit »er« war Morpheus gemeint, und es war schön zu wissen, dass er kein völliger Unhold war. »Verstehe. Das erklärt, warum du noch träumen kannst.«
Er nickte. »Und warum man mich rufen kann, wann immer mir eines von euch Traumwesen etwas mitteilen möchte.«
Ich hätte gern gewusst, was Antwoine wohl träumte, aber ich fragte ihn nicht danach. »Ich dachte, dass es dir lieber wäre, wenn ich dich erst ›rufe‹, anstatt unangekündigt in deinen Traum zu platzen.«
Die Augen des alten Mannes verengten sich ein wenig, als er mich anblickte. »Da hast du dir ganz schön die Finger verbrannt, was?«
Ich blickte auf meine Stiefel und drückte die Spitzen ins Gras. »Kann man so sagen, ja.«
Antwoine lachte leise – es war ein rauhes, brüchiges Lachen, das eher mitfühlend als amüsiert klang. »Was, mein Kind, wenn der Mann deiner Träume gerade von einer anderen Frau geträumt hätte, als du in seinen Traum spaziert bist?«
»Nein!« Ich funkelte ihn böse an. Aber was, wenn dem so gewesen wäre? Lieber Gott, wie schrecklich. Ich gab es nur ungern zu, aber das hätte mir mehr zu schaffen gemacht als die Gewalt in seinem Traum. Ich starrte wieder auf meine Stiefel. »Es hat ihm nicht gepasst, dass ich einfach so in seinen Traum gekommen bin.«
»Wem gefällt das schon? Stell dir vor, jemand kreuzt einfach in deiner Privatsphäre auf.«
Wie Karatos. Verdammt. Ich war in Noahs Traum marschiert wie Karatos in Noahs und meine
Weitere Kostenlose Bücher