Tochter der Träume / Roman
Träume. Kein Wunder, dass ihn das aus der Fassung gebracht hatte. Ich hatte mich wie eine Idiotin aufgeführt.
»Nun leg nicht jedes Wort, das ich sage, auf die Goldwaage«, schalt Antwoine. »Du kannst nichts dafür. Du hast nur getan, was in der Natur deiner Art liegt.«
Meiner Art.
Das klang zwar nicht beleidigend aus seinem Mund, trotzdem fühlte ich mich ausgesondert – wie ein Freak. »Ich werde es nie mehr tun.«
Er lachte, und diesmal klang es amüsiert. »Natürlich wirst du es wieder tun. Kann gut sein, dass er es dann völlig in Ordnung findet, oder auch nicht. Einen Sukkubus zu lieben war schon kompliziert genug. Wie muss es dann erst mit einer Nachtmahr sein.«
Nachtmahr
– das war der alte Name für Wesen meiner Art. Im Laufe der Zeit vermischte er sich mit
Nachtalb
, was bösartige Traumdämonen bezeichnet, und das wiederum führte dazu, dass man Traumwesen fortan nicht mehr als die Wächter betrachtete, die sie waren.
»Du weißt eine ganze Menge über die Traumwelt.«
Er nickte bedächtig. »Ich habe dort viel Zeit verbracht, bevor dein Vater mich hinausgeworfen hat.«
Mein Vater, aha. Es hatte ihm also nicht gefallen, dass Antwoine mit einem Sukkubus zusammen gewesen war. Und es schien ihm auch nicht zu gefallen, dass ich mit Noah zusammen war, obgleich von einem »Zusammensein« kaum die Rede sein konnte. Würde Morpheus erneut zu drastischen Maßnahmen greifen, wenn Noah und ich unsere Beziehung vertieften? Bis jetzt hatten wir noch nicht einmal ein echtes Date gehabt, und vielleicht war alles bald vorbei, bevor es überhaupt begonnen hatte.
Ich würde nicht zulassen, dass mein Vater mir derart in mein Leben pfuschte. Aber zuerst musste ich mich um Karatos kümmern, damit Noah überhaupt lange genug am Leben blieb, um irgendwelche Brücken hinter uns abzubrechen.
»Weißt du, wie man einen Dämon tötet?«
»Nein, mein Kind, das weiß ich nicht.« Seine dunklen Augen fixierten mich. »Sagt dir das nicht dein Instinkt?«
Instinkt? Klar, darin war ich ja Expertin, sollte man meinen. »Ich weiß, dass ich es können müsste. Aber ich weiß nicht, wie.«
»Dann musst du es lernen. Du musst dich vertraut machen mit dem, was du bist und was du kannst.«
Was er nicht sagte. »Aber selbst, wenn ich diesen Dämon nicht finden kann, müsste Morpheus ihn doch finden können, nicht wahr?« Der Verdacht, mein Vater könnte Karatos erlaubt haben, mich zu vergewaltigen, gefiel mir zwar gar nicht, aber schließlich hatte ich Karatos mit eigenen Augen in der Traumwelt gesehen. Doch im Reich der Traumwesen war Morpheus allmächtig. Wie konnte ihm Karatos da entkommen?
»Vielleicht hat der Dämon herausgefunden, wie er sich tarnen muss, damit dein Vater ihn nicht finden kann.«
»Ist das möglich?«
»Es ist nicht leicht«, antwortete er mit einem Kopfschütteln. »Die Einzigen, von denen ich weiß, dass sie es können, sind die Sukkubi. Sie sind fähig, Energie aus einem Menschen zu ziehen und sich darin einzuhüllen – genau so hat es meine Geliebte gemacht, wenn sie bei mir war. Und wenn Morpheus nach ihr suchte, hat er nur mich gespürt. Als er dann eines Nachts unverhofft aufgetaucht ist … nun, das ist eine andere Geschichte.«
Und eine, die ich jetzt nicht hören wollte, so neugierig ich war. »Sie hat sich also deiner Lebensenergie bedient?« Klang ziemlich schaurig.
»Sie war ein Sukkubus, das war Teil ihrer Aufgabe.«
Ich fragte nicht weiter nach. Zu welchem Zweck sie das getan hatte, wollte ich lieber nicht wissen.
»Ich brauche deine Hilfe. Du weißt Dinge über die Traumwelt, die Morpheus mir nie erzählen würde.«
»Er erzählt dir nur, was seinen Zwecken dient.«
Ich versuchte, diese spitze Bemerkung zu ignorieren. Antwoine hasste meinen Vater. Kein Wunder, dass er ihm so viel – oder wenig – vertraute wie einer Kanalratte. Ich selbst vertraute meinem Vater auch nicht, doch Antwoines Worte hallten in mir nach.
»Wirst du mir helfen?«, fragte ich. »Mir beibringen, was er mich nicht lehren will?« Ich merkte, dass ihn mein Angebot reizte. Mir zu helfen, wäre eine Genugtuung für das, was Morpheus ihm angetan hatte.
Gewiss, es könnte sein, dass Antwoine mich, das Töchterchen des Königs, nur benutzen würde, um Morpheus eins auszuwischen. Ich war nicht sicher, ob ich einem der beiden überhaupt trauen konnte. Gleichwohl brauchte ich sie.
Antwoine überlegte kurz. Dann trat plötzlich ein Strahlen in seine Augen. »Ich helfe dir. Unter einer Bedingung.«
Aha.
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