Tochter der Träume / Roman
»Und die wäre?«
»Du findest meine Madrene. Finde sie und richte ihr aus, dass ich … dass es mir gutgeht.«
Madrene – sein Sukkubus. Klar, diesen Gefallen wollte ich ihm gerne tun. »Einverstanden. Aber dafür erzählst du mir alles, was du weißt?«
Er nickte. »Alles.«
»Prima. Wann können wir anfangen?«
Ein breites Lachen ließ seine Zähne aufblitzen, als er in seinen Mantel griff und einen Dolch zückte. »Wie wäre es mit jetzt?«
[home]
Kapitel 12
I ch erstarrte. Die Klinge in Antwoines knotiger Hand blitzte im fahlen Sonnenlicht. »Steck das Ding weg, Antwoine.«
Er lachte, amüsiert von meiner alarmierten Stimme. »Ich will dich nicht erdolchen, Dummerchen. Diesen Dolch mache ich dir zum Geschenk.« Zum Beweis – und als wollte er, dass ich mir erst recht idiotisch vorkam – hielt er mir die Waffe mit dem Griff voran entgegen.
Ich sah mich rasch nach allen Seiten um. Im Park herrschte reges Treiben, aber niemand schien sich für das große, blasse Mädchen und den kleinen, dunklen Mann zu interessieren, die auf einer Parkbank beieinandersaßen und einen Dolch zwischen sich hatten.
Die Klinge war schmal und messerscharf, und der Griff war glatt und schlicht, bis auf einen großen, ovalen Mondstein, der knapp über meinen Fingern lag, wenn ich den Griff umschloss. Der Dolch lag perfekt in meiner Hand. Als er in meiner Handfläche warm wurde, wusste ich, dass er mich als seine Besitzerin anerkannt hatte.
»Es ist ein Marae-Dolch«, sagte Antwoine und hatte damit meine Frage beantwortet, ehe ich sie gestellt hatte. »Speziell für Traumwesen gefertigt.«
Deshalb fühlte er sich so richtig an. Ich konnte meine Augen einfach nicht abwenden. Mein Vater hatte mir nie etwas von solchen Dolchen erzählt. Ich drehte und wendete ihn und bewunderte das tanzende Licht auf dem wunderbaren Stein. »Woher hast du ihn?«
Antwoine reichte mir das passende Futteral. »Habe ihn einem der Traumwesen gestohlen, die dein Vater zu mir geschickt hatte, um mich aus der Traumwelt zu
geleiten
.«
Ich sah auf. Deshalb also hatte ich noch nie zuvor einen solchen Dolch gesehen. Sie standen ausschließlich der Garde zu. »Aber Traumwesen sind doch eigentlich dazu da, die Träumenden zu beschützen.« Dieser Dolch stammte nicht aus der Traumwelt, das konnte ich spüren. Gegenstände von dort verfielen nämlich in der hiesigen Welt. Dieser Dolch war weder von einem Menschen noch von einem Traumwesen geschaffen worden.
Er sah mich an. »Traumwesen sind dazu da, zu tun, was ihr Schöpfer ihnen aufträgt.«
Noch etwas, das nicht auf mich zutraf. Morpheus konnte mir etwas befehlen, mich aber nicht zwingen, es zu tun.
Antwoine schien meine Gedanken zu erraten. »Er ist dein Vater, und ich bin sicher, dass er dich liebt. Doch wie jeder Vater glaubt er zu wissen, was das Beste für dich ist. Hab ein Auge auf ihn.«
Ich schob den Dolch in das Futteral und legte ihn in meinen Rucksack, was Antwoine mit einem amüsierten Grinsen beobachtete. »Weißt du überhaupt, wie man mit einem Dolch umgeht?«
Nun war es an mir, amüsiert zu grinsen. »Das muss ich nicht wissen. Der Dolch wird tun, was ich will.« Das wusste ich so sicher wie meine Schuhgröße.
Sein Grinsen wurde breiter. »Nun klingst du langsam wie ein Traumwesen. Braves Mädchen.«
Sein Lob machte mich stolz. Die Meinung dieses alten Mannes, über dessen Geisteszustand ich mir erst noch klarwerden musste, bedeutete mir sehr viel. So sicher wie ich wusste, dass der Marae-Dolch mir gehorchen würde, wusste ich auch, dass Antwoine Jones eine wichtige Rolle in meinem Leben spielen würde.
Ich blickte auf meine Armbanduhr. »Ich muss los.« Mir blieb eine halbe Stunde bis zu meiner Verabredung mit Noah, und ich wollte mir unterwegs noch etwas zu essen holen.
Ich stand auf, und Antwoine erhob sich ebenfalls. »Pass gut auf dich auf, kleine Dawn. Du kannst mich jederzeit rufen, wenn du mich brauchst, hörst du?«
Ich war von Natur aus ein impulsiver Mensch – zuweilen sogar zwanghaft impulsiv. Eigentlich war ich stets bemüht, mein ungezügeltes Temperament im Zaum zu halten, heute aber folgte ich meinem spontanen Impuls und umarmte den kleinen Mann, der nach Tee und Rasierwasser roch.
»Danke«, murmelte ich und ließ ihn wieder los. »Gut möglich, dass ich darauf zurückkommen werde.«
Lächelnd tätschelte er mir die Schulter. »Ich werde da sein. Geh jetzt. Sonst kommst du zu spät zu deinem Freund.«
Ich wusste nicht, woher er wusste, dass ich Noah
Weitere Kostenlose Bücher