Tochter der Träume / Roman
kam so dicht an mein Ohr, dass ich die feuchte Wärme seines Atems spürte und bei dem tiefen Klang seiner Stimme erzitterte.
Ich lächelte, so selbstbewusst es ging, während ich mich bemühte, die Gänsehaut abzuschütteln, die er gerade verursacht hatte. »Genau. Zu dir.«
»Bist du sicher?« Ich wusste, was er hören wollte. Er wollte sichergehen, dass es in Ordnung für mich war, was auch immer geschah. Da war ich mir zwar nicht so sicher, aber wir mussten reden, und in seinem Umfeld hätte er eher das Gefühl, alles unter Kontrolle zu haben.
Gut, ein kleines bisschen hoffte ich vielleicht auch, dass er mehr von mir wollte. Zwar war ich unsicher, ob ich auf Sex aus war, aber auf irgendetwas war ich aus.
Ich nickte. »Ja, bin ich.«
»Okay. Dann lass uns gehen.«
Mein Herz pochte. Was zum Teufel tat ich da bloß? Einfach mit zu ihm zu gehen? Ich wusste nicht einmal, wo er wohnte – obwohl das bestimmt in seiner Akte stand. Was, wenn er sich als völlig irre entpuppte? Nein, das konnte ich mir nicht vorstellen. Aber genau das hätte eine ganze Reihe von toten Frauen bestimmt auch über ihre Mörder gesagt.
Ich holte meine Tasche und sagte Julie, was ich vorhatte. »Wo wohnst du?«, war ihre prompte Frage an Noah.
Zu meiner Überraschung gab Noah bereitwillig Auskunft. Er wohnte in Greenwich Village. Das wiederum überraschte mich weniger. Julie fragte ihn auch nach seinem Nachnamen und schrieb alles auf eine Serviette, die sie in ihre Handtasche stopfte. Sie lächelte. »Nichts für ungut, aber ich kenne dich schließlich nicht.«
Er nickte, wie er immer nickte, ruckartig und kurz.
»Kein Problem. Ich bin froh, dass sich jemand um unseren Doc sorgt.«
Fast hätte ich bei diesem Satz die Augen verdreht, so süß er auch war. Julie warf mir indes einen amüsierten Blick zu. Bei unserem nächsten Treffen würde sie mich bestimmt mit »Doc« ansprechen.
»Ruf mich morgen an«, sagte sie im Befehlston.
»Mach ich«, versprach ich und umarmte sie kurz. »Kommst du hier ohne mich klar?«
Sie winkte ab. »Ich werde Joe anrufen. Er kommt mich bestimmt abholen.«
Ich war beruhigt, dass sie den Heimweg nicht allein antreten musste, und wandte mich an Noah. »Gehen wir!«
Wir holten unsere Mäntel an der Garderobe ab, und während ich mir noch den Mantel zuknöpfte, traten wir in die überraschend laue Abendluft hinaus. Noah winkte ein Taxi heran – sehr vernünftig von ihm, denn er hatte etwas getrunken –, und wir fuhren los, noch ehe er dem Fahrer die Adresse genannt hatte.
Während der Fahrt sprachen wir kein Wort. Ich hielt den Kopf zur Seite gedreht und betrachtete die vorbeiziehende Stadt durch das Fenster. Noah tat das Gleiche auf seiner Seite. Doch dann griff seine Hand nach meiner und hielt sie auf dem Sitz zwischen uns fest.
Schließlich waren wir da. Das Taxi hielt, Noah bezahlte, und ich stieg hinter ihm aus, meine Hand noch immer in seiner. Während das Taxi davonfuhr, strich ich meinen Mantel glatt und ließ meinen Blick kurz umherwandern.
Die Straße war schmal, von hohen Bäumen gesäumt, deren Herbstlaub die Gehwege und Rasenflächen mit einem orangeroten Teppich bedeckte. Die meisten Gebäude waren Wohnhäuser, nur in einem befand sich ein Restaurant im Erdgeschoss.
Das Haus, in dem Noah wohnte, war ein roter Backsteinklotz mit riesigen Fenstern in der zweiten Etage. Die kleineren Fenster im unteren Stockwerk waren mit schmiedeeisernen Gittern versehen, die schwarz gestrichen waren.
»Miete oder Eigentum?«, fragte ich, während er den Schlüssel ins Schloss der schweren Eingangstür aus Massivholz steckte.
»Eigentum«, antwortete er. »Warren und ich haben es zusammen gekauft. Er gibt unten im Parterre Aikido-Kurse.«
»Aikido.« Ich zog eine Braue hoch. »Toll.« Und unter Umständen auch sehr nützlich.
Noah gab keine Antwort und sah mich nur an, als versuchte er, irgendwie schlau aus mir zu werden. Ich wünschte ihm viel Glück dabei. Er stieß die Tür auf, ging vor, drückte ein paar Knöpfe auf einem kleinen Tastenfeld und winkte mich herein. »Nach dir.«
Ich betrat ein Foyer, das kaum größer war als eine Besenkammer und vor einem breiten Treppenaufgang gerade Platz für zwei Personen bot. Das matte Licht warf einen sanften Schein auf Noah und ließ seine Haut fast golden schimmern. Ich bezwang den Drang, ihn anzustarren, und ging schon mal nach oben, während ich hinter mir die Tür zufallen und Noahs Schritte auf den Stufen hörte.
Oben angekommen, stand ich vor
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