Tochter der Träume / Roman
neben mir und berührte mich sanft. »Dawn? Bei Zeus, ist alles in Ordnung mit dir?«
»Nein«, stieß ich krächzend hervor. »Nein, gar nicht.«
Er hob mich auf seine Arme, und ehe ich mich versah, fanden wir uns in meinem alten Kinderzimmer in seinem Schloss wieder. Er setzte mich auf das Bett, das sich himmlisch anfühlte. Auch meine Mutter war da und rang die Hände.
»Was ist passiert?« Ihre Stimme zitterte.
»Karatos«, antwortete ich und sah meinen Vater an. »Meine Schuld. Ich dachte, ich könnte es mit ihm aufnehmen. Er wollte mich töten.«
Morpheus’ Blick war vernichtend. Von draußen hörte man ein Donnergrollen, das die Wände im Schloss wackeln ließ. Der Zorn des Hades war nichts dagegen.
Sacht berührte Morpheus den Arm meiner Mutter. »Kümmere dich um sie. Ich bin bald wieder zurück.«
Damit war er verschwunden, und ich blieb allein mit meiner Mutter zurück. Doch ich litt viel zu große Schmerzen und war viel zu müde, um mich zu widersetzen. Außerdem weinte sie, und ich wollte so sehr, dass sie alles wieder gutmachte, wenn auch nur vorübergehend.
Sie hielt meine Hand. Ich musste keine Therapeutin sein, um zu wissen, dass ein Großteil meiner Wut sich aus der Liebe speiste, die ich nach wie vor für sie empfand. Immerhin war sie meine Mutter. Sie hatte mich zwar verlassen, aber in diesem Moment spürte ich, dass sie mich liebte. Nicht genug vielleicht, aber dennoch.
Sie half mir mit beschwörenden Worten, meine Wunden zu heilen, bat mich mit sanfter Stimme, in mich zu gehen, um die Quelle der Kraft zu finden, die alle Wunden zu heilen vermochte, die Karatos mir beigebracht hatte.
Zwei Stunden später war ich fast vollständig genesen. Ich hatte es geschafft und war ziemlich stolz auf meine Leistung. Ich sollte wirklich dabei bleiben und meine Fähigkeiten als Traumwesen weiter schulen.
Dann kehrte mein Vater zurück.
»Der Dämon ist unauffindbar«, verkündete er mit matter, dunkler Stimme. »Er hält sich irgendwo versteckt. Entweder aus eigener Kraft oder mit fremder Hilfe.«
Also doch. Morpheus hatte Feinde, die ihn stürzen wollten und auch nichts dagegen hätten, wenn seine abartige Halbbluttochter ebenfalls dran glauben müsste.
»
Für uns hier bist du keine Bedrohung
– das hat Karatos gesagt. Und, dass er mich töten sollte«, vertraute ich mich den beiden schließlich an.
Meine Mutter erbleichte und keuchte leise auf. Morpheus hingegen wirkte nicht so überrascht, wie ich eigentlich gehofft hatte.
»Haben sie es auf dich abgesehen? Oder wollen sie mich töten, weil ich ein Mischling bin?«, fragte ich.
»Beides«, erwiderte er ruhig, setzte sich auf die Kante meines Betts und nahm meine Hand. Seine Finger waren stark und warm. Ich klammerte mich wie ein verängstigtes kleines Kind an seine Hand, sprachlos, weil er meine Ängste bestätigt hatte.
»Tut mir leid«, flüsterte er, und ich sah ihn nun als Vater – einen echten Vater –, und es brach mir das Herz, die Verwundbarkeit und Angst in seinem fahlen Blick zu sehen. »Ich habe es nicht geschafft, dich zu beschützen.«
»Bring mir bei, wie ich mich selbst schützen kann.« Ich wollte ihm sagen, dass es auch mir leidtat, dass ich mich von ihm abgekehrt und all die Jahre mein eigenes Leben gelebt hatte. Wenn ich das nicht getan hätte, wüsste ich jetzt, wie ich Karatos bekämpfen könnte. All das wollte ich ihm sagen, doch mein Stolz hielt mich davon ab.
»Ich werde die Königliche Garde alarmieren. Die Gewalt, mit der Karatos auf Träumende losgegangen ist, reicht aus, um sie zu rufen.«
Die Unsicherheit in seinen Augen brachte mich an die Grenze dessen, was ich emotional ertragen konnte. »Solange die Garde nicht weiß, dass ich darin verwickelt bin.«
Er nickte. »Es gibt in ihren Reihen durchaus Geschöpfe, denen du … als Traumwesen ein Dorn im Auge bist.«
Ein Dorn im Auge
war weit untertrieben. Es war verdammt viel mehr, wenn er seiner eigenen Garde nicht trauen konnte, was meine Rettung anging. Oder auch seine. Was sollte der Mist von wegen Loyalität, den Verek von sich gegeben hatte? Nur weil Verek meinem Vater gegenüber loyal war, hieß das nicht, dass es auch alle anderen Mitglieder der Garde mir gegenüber waren.
Mein Vater und ich waren ganz auf uns allein gestellt. Es kam nicht darauf an, ob ich mich binnen weniger Stunden selbst heilen konnte. Es ging um viel mehr. Karatos hatte in dieser Welt sehr viel mehr Freunde als ich. Und wenn ich nicht bald die Kurve kriegte, dann würde
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