Tochter Der Traumdiebe
Schwierigkeiten mit dem Schloss und zögerte. Ich spürte Mondmatts Hand auf dem Arm, Oona lächelte mich zurückhaltend, aber aufmunternd an.
Ich stieß die Tür auf.
Vor mir lag der große Körper eines melniboneischen Adligen. Abgesehen von der farblosen Haut hätte es jeder beliebige von hundert Vorfahren sein können. Die feinen Gesichtszüge bildeten einen starken Kontrast zur einfachen Kleidung. Die Hände waren länger und schmaler als von Beks Hände, die Gesichtsknochen schärfer abgezeichnet, die Ohren leicht zugespitzt, der Mund vermittelte einen Eindruck von Feinfühligkeit und Sarkasmus zugleich. Die Kleidung entsprach einem Barbaren aus dem Süden; allein dies wies sie schon als die meine aus. Ich hatte mich entschlossen, eine Zeit lang nicht mehr die traditionelle Aufmachung zu tragen. Sogar das milchweiße Haar war nach der Art der Barbaren im Nacken zusammengebunden. Der Körper lag da, als wäre der Mann einfach auf dem Bett zusammengebrochen. Niemand, sagte Oona, hatte etwas verändern wollen, falls ich plötzlich aufwachte. Die kniehohen Stiefel aus Hirschleder, der geschmückte silberne Brustharnisch, das weiß-blau karierte Lederwams, der schwere grüne Mantel. Sogar die leere Schwertscheide lag neben ihm. Eine viel bessere Scheide als das schlichte Ding, das ich für Rabenbrand angefertigt hatte.
Es war mein eigener Körper - und jener Hälfte in mir, die Elric war, bestens vertraut -, doch ich beobachtete ihn aus einem gewissen Abstand, bis ich auf einmal von starken Gefühlen ergriffen würde, vorstürzte, mich neben das Bett kniete, die schlaffe Hand nahm, die einer Leiche hätte gehören können, und stumm verharrte, weil ich für das starke Mitgefühl, das mich erfüllte, keinen Ausdruck fand. Ich weinte um die eigene gequälte Seele.
Ich wollte mich zusammenreißen, denn mein unpassender Ausbruch war mir peinlich. Ich nahm Rabenbrand und legte die Klinge in die kalte Hand. Ich wollte schon wieder aufstehen und mit meinen Freunden sprechen, da schloss sich die Hand des schlafenden Mannes um die meine und hielt mich fest, wo ich war. Soweit ich es sehen konnte, lag er noch in tiefem, verzaubertem Schlaf, aber die Kraft seines Griffs war nicht zu leugnen.
Als ich mich freikämpfen wollte, wurden meine Augenlider schwer und der letzte Rest meiner Energie wich von mir. Ich wollte nur noch schlafen, doch es war ein seltsames Gefühl. Ich konnte es mir nicht erlauben zu schlafen. Welchen Zauber hatte Gaynor mir da hinterlassen?
Ich konnte nicht erkennen, dass es irgendeine Rolle spielen sollte, ob ich wach blieb oder ausruhte. Angesichts der Umstände schien es mir völlig logisch, mich neben das Bett zu legen und meinem zweiten Selbst in einem dringend benötigten Schlaf Gesellschaft zu leisten. Mondmatts ängstliche Stimme hörte ich aus weiter Ferne. Oona sagte etwas über unsere Sicherheit und die Steine von Morn.
Dann schlief ich.
Ich war nackt.
Ich stand aufrecht und die Füße steckten in vollkommener Schwärze fest. Der Horizont vor mir wurde von einem riesigen silbernen Baum ausgefüllt, dessen Wurzeln sich umeinander wanden. Die Spitzen der Äste verloren sich in der Ferne. Etwas so Zartes und Kompliziertes hatte ich noch nie gesehen. Ich stand außerhalb der Existenz und blickte auf all die Äste und Zweige des Multiversums hinab, die beständig wuchsen und abstarben. Ein filigranes Geflecht sah ich vor mir in diesem silbernen Baum, viel zu gewaltig, um es ganz zu erfassen. Ich wusste, dass ich etwas Unendliches, etwas unermesslich Großes betrachtete. Und was wäre, wenn dies nur einer von vielen solcher Bäume wäre? Ich bewegte mich vorwärts, bis ich nicht mehr den Baum, sondern nur noch die nächsten Äste sehen konnte, auf denen sich Gestalten hin und zurück bewegten, während sie zwischen den Welten wanderten.
Schließlich stand ich auf einem Ast, der mir bekannt vorkam. An diese Wege hatte ich weder als Elric noch als Ulric irgendeine Erinnerung, doch spürte ich eine Verbundenheit mit unzähligen anderen Versionen meiner selbst, die mich mit unbeschreiblicher Freude erfüllte. Ich hatte das Gefühl heimzukehren.
Ein Ast führte zu einem größeren und noch einem größeren Ast, bis ich immer mehr Menschen sah, die - wie ich - auf den silbernen Straßen zwischen den Welten wanderten und - wie ich - verzweifelt irgendein Ziel oder eine verlorene Realität suchten. Wir grüßten uns nur knapp. Auf den silbernen Straßen schloss man nur selten dauerhafte
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