Tochter Der Traumdiebe
ich mich auf einem Hauptast des Multiversums befand und mich einer Stelle näherte, wo ein silberner Zweig nach oben gebogen war und wieder nach unten führte, sodass ein natürlicher Bogengang entstand.
Es gab keinen anderen Weg als darunter hindurch, und auf einmal starrte ich in einen Kessel hinauf, in dem ein weißes Feuer glühte. Es wurde umgekippt und überschüttete mich mit Flammen, die gefärbt waren wie Knochen und flüssiger Zinn. Ich löste mich auf, als die Flammen fielen, ich stürzte mit ihnen, ich stürzte ein ganzes Jahrtausend lang. Wenn ich nach unten schaute, sah ich ein riesiges Feld voller elfenbeinfarbener und silberner Blüten - Rosen, Chrysanthemen und Magnolien -, die jede ein anderes Universum repräsentierten.
Ich hatte Angst, in eines dieser engmaschigen Universen zu stürzen, aber nach und nach verschmolzen sie zu einem durchgehenden weißen Feld, in dem nur noch zwei rubinrote Punkte glühten, bis ich erkannte, dass ich in mein eigenes, riesenhaft vergrößertes Gesicht starrte. Dann sah ich das ängstliche Gesicht von Mondmatt und jetzt bemerkte ich auch meine Tochter Oona. Ich drehte den Kopf herum. Neben mir auf dem Boden lag Ulric von Bek, schlafend. Doch etwas Grundlegendes hatte sich verändert. Alles war ganz eindeutig nicht mehr so, wie es früher gewesen war…
Von Bek mochte inzwischen weit von Elric entfernt sein und sich kaum noch an mich erinnern, wenn dieser Traum vorbei war, doch ich konnte ihn nicht ganz und gar aus mir vertreiben. Ich würde beides bleiben. Seine Geschichte geht in mir weiter. Ich werde mich nie mehr ganz von ihm befreien können. Ich glaube nicht, dass mir damit ein einzigartiges Schicksal beschieden war und ich hatte gute Gründe zu vermuten, dass es sich lediglich um einen Unfall handelte. Denn wenn ich überhaupt etwas aus meinen Erfahrungen gelernt habe, dann dies, dass das Glück viel mehr mit dem eigenen Schicksal als mit der Urteilsfähigkeit zu tun hat und dass die Vorstellung, man könne das Multiversum zum eigenen Vorteil kontrollieren, die größte Täuschung von allen ist.
Später habe ich von anderen gehört, die Tausende von Seelen in sich tragen, aber in diesem Augenblick fand ich die Vorstellung entsetzlich. Ein einfacher sächsischer Grundbesitzer war durch übernatürliche Bande an die Seele eines nichtmenschlichen Geschöpfs gefesselt, obwohl zwischen beiden unendliche Abgründe von Raum und Zeit klafften. Als ich sein Gesicht betrachtete, sah ich in mein eigenes Gesicht, das mich anschaute. Einen Augenblick lang kam es mir vor, als starrte ich in einen endlosen, verspiegelten Gang, in dem Tausende verschiedener Darstellungen meiner selbst als Spiegelbilder hin und her reflektiert wurden. Mit Mühe kam ich von dem Lager hoch, auf das ich gefallen war. Ich hatte den Eindruck, alles sei gleichzeitig geschehen. Mondmatt war überglücklich, seinen Freund wiederhergestellt zu sehen, Oona nahm die Hand ihres Vaters, als er ungläubig anstarrte, was sich vor ihm abspielte.
Nur ich hatte eine bewusste Erinnerung an die Reise auf den Mondstrahlwegen.
Elric sah mich an. »Ich glaube, ich muss mich bei Ihnen bedanken, Sir, weil Sie mich aus diesem Zauberschlaf geweckt haben.«
»Ich denke, wir beide haben Lady Oona zu danken«, erwiderte ich. »Sie hat die Begabung ihrer Mutter, wenngleich nicht deren Berufung.«
Er runzelte die Stirn. »Ach ja. Ich erinnere mich an etwas.« Ein Schauder lief durch seinen Körper. »Mein Schwert…«
»Sturmbringer ist noch bei Gaynor«, warf Mondmatt rasch ein. »Aber dein … dieser Gentleman hier … er hat dir ein anderes mitgebracht.«
»Ich erinnere mich.« Wieder runzelte Elric die Stirn und betrachtete Rabenbrand, den ich ihm in die Hand gelegt hatte. »An Bruchstücke erinnere ich mich. Gaynor hat mein Schwert ergattert, dann bin ich eingeschlafen und habe geträumt, ich hätte Gaynor gefunden, aber danach habe ich ihn wieder verloren.« Er wurde zornig. »Und er droht… er will… nein, Tanelorn ist sicher. Miggea ist gefangen. Die Steine von Morn! Andere Freunde sind in Gefahr. Arioch - mein Herr Arioch - wo ist er?«
»Dein Fürst der Hölle war hier«, erklärte Mondmatt. »In diesem Reich. Aber wir wussten es nicht. Vielleicht ist Gaynor mit ihm gegangen.«
Elric presste sich die Hände an den Kopf und stöhnte. »Diese Zauberei wird sogar mir zu viel. Kein Sterblicher kann gesund und lebendig bleiben, wenn er diesen Kräften lange ausgesetzt wird. Oh! Ich erinnere mich! Der Traum!
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