Tochter Der Traumdiebe
Gaynor?«, fragte Elric ungeduldig. »Vermutlich will er doch das erreichen, was er schon immer wollte, nicht wahr?«
»Er hat hier getan, was er tun wollte.«
»Und was war das?«
»Er hat unseren Großen Stab gestohlen und marschiert jetzt gegen den Nebelgrund.«
»Unmöglich«, sagte Oona. »Der Stab ist in seinen blutbesudelten Händen nutzlos. Er könnte Gaynor ebenso leicht vernichten, wie er ihm helfen kann. Niemand würde ein solches Risiko eingehen. Niemand würde so dumm sein, die Gefahr einer solchen Zerstörung auf sich zu nehmen.«
»Niemand außer Gaynor«, wandte Elric ein.
»Was erwartet er davon, den Nebelgrund anzugreifen?«, fragte ich.
Darauf antwortete mir der Gelehrte Crina. »Ungeheure Macht. Eine Macht über die Kräfte der Schöpfung selbst. Dies hat er uns zunächst als Gegenleistung für unsere Hilfe angeboten. Natürlich haben wir abgelehnt.«
»Die Götter würden es niemals zulassen.«
Der Gelehrte Crina schien amüsiert. »Kein geistig gesundes Wesen würde es zulassen. Doch es gibt eine Theorie, dass die Lords der Höheren Welten nicht mehr ganz bei Verstand sind, da beunruhigende Umwälzungen im ganzen Multiversum vor sich gehen. Es kommt zu neuen Verknüpfungen. Alle Reiche ordnen sich im großen Feld der Zeit neu an. Schicksale werden neu geschmiedet, neue Realitäten erschaffen. Die Ihre ist nicht die einzige Geschichte, die es gibt. Es gibt noch andere Lebenswege, andere Träume. Alle tragen zu ein und demselben übernatürlichen Kontinuum bei. Nichts ist mehr so sicher, wie es einmal war. Sogar die Treue gegenüber der Ordnung und dem Chaos ist nicht mehr von Dauer. Denken Sie nur an Gaynor. Er nutzt Ordnung und Chaos gleichermaßen bei seinem Versuch, sich zum Weltenherrscher aufzuschwingen. So etwas war für einen Sterblichen einst unmöglich. Aber jetzt scheint es, als nähme die Macht der Sterblichen zu und würde dabei zugleich an Stabilität verlieren.«
»Gaynor will sich nicht selbst vernichten«, wandte Oona ein. »Zweifellos hält er sich für unverwundbar, nachdem er jetzt den Großen Stab besitzt.«
»Er beansprucht für sich den Titel des Königs der Welt. Es trifft zu, dass ihm der Große Stab, den er in Besitz genommen hat, das Selbstvertrauen gibt, gegen den Nebelgrund zu marschieren. Aber welchem Zweck soll das dienen? Was hofft er damit zu erreichen, abgesehen von der Zerstörung des ganzen Multiversums?«
»Er erinnert mich an einen gewissen Diktator in meinem Heimatland«, sagte ich leise. »Sein Irrsinn und sein mangelhafter Sinn für die Realität scheinen seine größte Antriebsfeder zu sein. Er ist so auf die Macht versessen, dass er ganze Reiche zerstören würde, um seine Gier zu befriedigen.«
Der Gelehrte Crina schlug die Augen nieder. »Er handelt nicht aus gewöhnlichem Eigennutz. Wenn solche Leute an die Macht kommen, dann sind sie für jede Zivilisation gefährlicher als alle anderen.«
»Es gibt Echos«, sagte Oona nachdenklich. »Was meint ihr, auf wie vielen Ebenen eine Version dieser Geschichte wiederholt wird? Wir glauben, dass wir einen freien Willen haben, aber wir können wenig tun, um die Folgen oder den Verlauf unserer Taten zu beeinflussen, weil diese Folgen und Taten mit nur winzigen Abweichungen, die sich zu gewaltigen Unterschieden auswachsen, auf unzähligen Ebenen des Multiversums wiederholt werden.«
Elric zeigte keinerlei Interesse für ihre Philosophie. »Wenn Gaynor auf dieser Ebene aufgehalten werden kann«, sagte er, »dann wird seine Niederlage wahrscheinlich ebenso als Echo widerhallen wie sein Sieg.«
Sie lächelte ihn an. »Nun ja, Vater, wenn jemand fähig ist, das Schicksal zu verändern, dann bist du es.«
Weder Elric noch ich verstanden, was sie damit meinte, aber ich teilte seine Entschlossenheit.
»Gaynors Macht war zu groß, als dass wir uns ihm widersetzen konnten«, erklärte der Gelehrte Crina.
»Aber euer Stab«, sagte Oona. »Wie konnte er ihn euch wegnehmen?«
»Der Stab selbst scheint es erlaubt zu haben«, erklärte der Gelehrte Crina einfach. »Wir haben immer gewusst, dass er einen eigenen Willen hat. So ist er auch zu uns gekommen.«
Sie sprachen offenbar über den formbaren Kultgegenstand - Schale, Kind und Stab -, den die Off-Moo in meinem Beisein in jener Zeremonie verwandelt hatten. Oder waren sie selbst manipuliert worden? Ich erinnerte mich, wie der Gegenstand seine Gestalt verändert hatte. Doch auf wessen Geheiß?
»Nimmt das Objekt immer die Gestalt eines Stabes an?«,
Weitere Kostenlose Bücher