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Tochter Der Traumdiebe

Tochter Der Traumdiebe

Titel: Tochter Der Traumdiebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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schob einen Wandteppich zur Seite, hinter dem eine weitere Tür auftauchte. »Wohin führt die?«, wollte ich wissen.
    »Das kommt ganz darauf an.« Ihr Lächeln sah etwas ironisch aus. »Worauf kommt es an?«
    »Darauf, ob die Ordnung oder das Chaos die Kontrolle über gewisse Reiche ausübt.«
    »Und woher wissen Sie das?«
    »Das können Sie nur herausfinden, indem Sie durchgehen«, sagte sie.
    Elric verlor die Geduld. »Dann lasst uns durchgehen«, sagte er. »Es gibt einige Angelegenheiten, die ich unbedingt mit meinem Vetter Gaynor klären muss.« Er legte die Hand auf Rabenbrands Griff. Ich bewunderte seinen wilden Mut. Wir waren vielleicht vom gleichen Blut und hatten gemeinsam einige Schwierigkeiten durchlebt, aber unsere Temperamente waren völlig unterschiedlich. Er suchte das Vergessen, indem er handelte, während ich Zuflucht zur Philosophie nahm. Ich traf nicht gern Entscheidungen, während für Elric Entscheidungen alles waren. Er traf sie genauso beiläufig, wie er große Risiken einging.
    Wenn er ein einfaches Leben voller einfacher Überlegungen führte, dann hätte man erwarten können, dass er hauptsächlich mit alltäglichen Dingen zu tun hatte. Doch er war keinesfalls ein alltäglicher Mann - mit diesem wölfischen weißen Gesicht und dem Vertrauen auf die Zauberei.
    Wäre ich unter gleichen Umständen genauso geworden wie er? Ich bezweifelte es. Aber ich war ja auch nicht bereits in der Kindheit in der Zauberei und zum Herrscher ausgebildet worden. Ich hatte nicht als Jugendlicher die grässlichsten Schrecken gesehen, ich hatte nicht schon als Kind die Kunst der Drachenmeister gelernt, ich hatte nicht gelernt, die Welt mit magischen Kräften zu lenken. Ich wusste natürlich alles über seine Vergangenheit, weil seine Erinnerungen jetzt auch meine Erinnerungen waren, während er sich an nichts von dem erinnern konnte, was ich mitgebracht hatte. In gewisser Weise beneidete ich ihn um seinen Mangel an Bewusstheit.
    Ungestüm schritt Elric durch die Tür und ich folgte ihm. Oona schloss sie hinter uns.
    Wir standen in einem lieblichen, eingefriedeten Garten. Es war ein Ort, an den man gehen konnte, wenn man auf Ruhe und Kontemplation aus war. Irgendwie verkörperte er genau das, was man jenseits dieser Tür erwartet hätte. Etwas Vertrautes und Beruhigendes. Umgeben war der Garten von einer hohen Mauer, die ihrerseits wieder von noch höheren Gebäuden umgeben war, die insgesamt den Garten kleiner erscheinen ließen, als er tatsächlich war. Kräuter und Blumen, alle süß duftend, waren in ordentlichen Beeten gepflanzt. Pfaue und Zierhühner wanderten in den Büschen herum. Im Zentrum gab es einen Teich mit einem Springbrunnen, ein kleines Kunstwerk aus dunklem, funkelndem Stein, dessen Plätschern die Stille im Garten nur noch unterstrich.
    Obwohl es ein so angenehmer Ort war, empfand ich die Szenerie beinahe als enttäuschend. Wir hatten etwas Dramatisches erwartet. Elric zögerte, sah sich misstrauisch um. Ich glaube, er suchte etwas, das er töten konnte.
    Oona war erleichtert. Sie hatte offenbar einen viel unangenehmeren Anblick erwartet. Der Garten hatte kein Tor, der einzige Ausgang war die Tür, durch die wir gerade hereingekommen waren.
    »Was jetzt?« Elric sah sich ungeduldig um. »Wohin gehen wir nun?«
    »Von Tanelorn nach Mu Ooria und von Mu Ooria nach Tanelorn«, sagte sie, »muss man immer durchs Wasser reisen.«
    Elric tauchte die Hand in den künstlichen Teich. »Durchs Wasser? Aber wie? Hier gibt es keinen Platz für ein Schiff, meine Liebe.« Er starrte neugierig die ungewöhnlichen Fische an, die im Wasser schwammen, als erwartete er, dass sie ihm das Geheimnis offenbarten.
    Oona streckte den Bogen zum Wasser aus und zog ihn, sachte einen Kreis beschreibend, über die Oberfläche. Der Kreis blieb sichtbar. In seinem Innern kam das Wasser in Bewegung, Farben spielten und Wellen breiteten sich aus. Plötzlich strömte es rot strahlend nach oben, als klaffte eine frische Wunde. Eine Säule aus pulsierendem rotem Licht stieg vor uns empor. Die Farbe spiegelte sich in unseren weißen Gesichtern und verlieh uns das Aussehen von Knochen, auf denen alte Blutflecken klebten.
    Elric grinste wieder sein Wolfsgrinsen, das rote Licht flackerte in den Augen. »Hier entlang?«, fragte er Oona.
    Sie nickte.
    Ohne ein weiteres Wort und ohne Zögern schmiegte sich der Melnibonöer an die Säule aus Licht. Einen Augenblick lang zuckte er wie unter Stromschlägen, dann wurde er von der Säule

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