Tochter Der Traumdiebe
der Hand hielt. Oona hatte Elrics Schwert gefunden, wo Gaynor es weggeworfen hatte, als es sich gegen ihn wendete und seine Kraft verzehrte, statt ihm neue Energie zu schenken.
»Nun«, sagte ich, »immerhin haben wir das gestohlene Schwert zurückbekommen.«
Oona nickte nachdenklich. »Ja«, sagte sie. »Gaynor muss seine Pläne ändern.«
»Warum hat Sturmbringer ihn nicht früher schon ausgezehrt?«
»Als er Miggea verriet, hat er auch ihre Hilfe verloren. Anscheinend dachte er, er könnte das Schwert behalten, obwohl sie gefangen war. Sie muss jedoch fähig sein, ihren Willen einzusetzen, um ihm zu helfen, und er hat selbst dafür gesorgt, dass sie dies nicht mehr kann.«
Ich hörte ein Murmeln und drehte mich zu Elric um. Er begann sich zu bewegen. Die Lippen formten Worte, er gab kleine Geräusche von sich. Beunruhigte Geräusche. Töne, die von einem fernen Albtraum sprachen.
Oona legte dem Vater die kühle Hand auf die Stirn. Sofort ging der Atem des Melnibonérs ruhiger und sein Körper zuckte und zitterte nicht mehr.
Als er schließlich die Augen aufschlug, blickten sie mich wissend an.
»Endlich«, sagte er, »können wir das Blatt wenden.« Sofort griff er nach dem Runenschwert und streichelte es. Ich hatte das Gefühl, dass die Klinge ihm irgendwie alles mitteilte, was mit ihm geschehen war. Oder erfuhr er es auf telepathischem Wege von mir?
»Vielleicht ist das möglich, Vater.« Oona sah sich um, als bemerkte sie jetzt erst die Anzeichen der Schlacht. »Aber ich fürchte, das wird mehr Kräfte erfordern, als wir im Augenblick aufbieten können.«
Der Prinz von Melnibone« wollte sich aufrichten. Ich bot ihm den Arm. Er zögerte, dann nahm er mit einem Ausdruck tiefer Selbstironie die Hilfe an.
»Dann sind wir jetzt beide wieder vollwertige Männer«, sagte er.
Ich reagierte ungehalten. »Ich muss wissen, welche einzigartigen Eigenschaften der Stab oder Kelch - oder was es auch ist - und das weiße Schwert haben. Warum kämpfen wir, um die Objekte in unseren Besitz zu bringen? Was stellen sie für Gaynor dar?«
Elric und Oona sahen mich überrascht an. Sie hatten es mir nicht absichtlich verschwiegen, sie hatten einfach nur nicht damit gerechnet, dass es nötig sein könnte, mir dies ausdrücklich zu erklären.
»Diese Objekte existieren auch in Ihren eigenen Legenden«, erklärte Oona. »Auf Ihrer Ebene hat Ihre Familie sie behütet. Das ist Ihre traditionelle Aufgabe. Ihre Legenden besagen, dass der Gral ein Kelch mit magischen Eigenschaften ist, der das Leben bewahren und in seiner echten, reinen Form nur von einem Ritter mit ähnlich reiner, wahrhaftiger Seele gehütet werden kann. Das Schwert ist das traditionelle Schwert, das seinem Träger große Tapferkeit verleiht, wenn es zu einem edlen Zweck benutzt wird. Es hat viele Namen. Es war verloren und Gaynor hat es gesucht. Klosterheim hat es von Bek bekommen. Miggea sagte ihm, wenn er das schwarze und das weiße Schwert zusammen mit dem Gral zum Nebelgrund bringt, dann könnte er der ganzen Existenz seinen Willen aufzwingen. Er könnte das Multiversum neu erschaffen.«
Ich konnte es nicht fassen. »Und er hat diesen Unsinn geglaubt?«
Oona zögerte. Dann sagte sie: »Er hat es geglaubt.«
Ich dachte einen Augenblick nach. Ich war ein Mann des zwanzigsten Jahrhunderts. Wie konnte ich einer solchen sagenhaften Albernheit auch nur den geringsten Glauben schenken? Vielleicht träumte ich nur, nachdem ich ein schwülstiges Stück aus der Sturm und Drang-Zeit genossen hatte. War ich irgendwie gleichzeitig in den Parzival, den Fliegenden Holländer und die Götterdämmerung hineingeraten? Natürlich half es nichts, solche Gedanken weiter zu verfolgen. Ich war inzwischen ein Teil von Elrics Vergangenheit, ich kannte all seine Erfahrungen aus dem Reich der Zauberer und ich konnte mich an alles erinnern, was ich seit meiner Flucht aus dem Konzentrationslager der Nazis gesehen hatte. Von dem Augenblick an, als mein Schwert in Hameln die Felsen gespalten hatte, hatte ich an die Gesetze der Magie geglaubt.
Ich musste lachen. Es war nicht das irre Lachen, mit dem ich mich Gaynor gestellt hatte, sondern ein entspanntes humorvolles Lachen über mich selbst.
»Und warum auch nicht?«, sagte ich. »Warum sollte er nicht an alles glauben können, an das er glauben will?«
19. Jenseits des Nebelgrundes
»Wir müssen Gaynor folgen«, drängte Oona. »Irgendwie müssen wir ihn aufhalten.«
»Seine Truppen sind verstreut oder getötet«,
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