Tochter Der Traumdiebe
erwiderte ich. »Welchen Schaden kann er noch anrichten?«
»Großen Schaden«, sagte sie. »Er hat immer noch ein Schwert und den Gral.«
Elric pflichtete ihr bei. »Wenn wir schnell sind, können wir ihn daran hindern, den Nebelgrund zu erreichen. Wenn uns das gelingt, dann wird er uns nie wieder in Gefahr bringen. Der Nebelgrund ist formbar, er unterwirft sich dem Willen der Menschen, heißt es. Wenn dieser Wille mit Gaynors mächtigen neuen…«
Oona schritt schon zum Tunnel und verschwand im Schatten. »Folgt mir«, sagte sie. »Ich werde ihn finden.«
Müde stiegen Elric und ich auf die Pferde. Jeder von uns hatte jetzt ein schwarzes Runenschwert am Gürtel. Zum ersten Mal seit diese Abenteuer begonnen hatten, bestand jetzt eine echte Chance, Gaynor zu fangen, bevor er weiteren Schaden anrichtete. Vielleicht war ich so dumm zu glauben, der Besitz eines Schwerts könne mir etwas Selbstachtung schenken, doch ich fühlte mich tatsächlich Elric ebenbürtig. Nicht das Schwert allein, sondern vielmehr das, was ich mit der Waffe in der Hand vollbracht hatte, erfüllte mich mit Stolz, als ich neben dem düster brütenden Prinzen der Ruinen ritt und einen von meinem Volk verfolgte, der noch immer fähig war, die Grundbausteine der Existenz zu vernichten.
Die Tatsache, dass meine Selbstachtung gestärkt wurde, nachdem ich etwa zehn Menschen getötet hatte, war ein Kennzeichen für das, was aus mir geworden war, seit die Nazis mich gefangen hatten. Ich, der ich genau wie die meisten anderen meiner Familienmitglieder den Krieg verabscheute und die Bereitschaft der Menschen, ihre Artgenossen so leichtfertig zu töten, für widerlich hielt, hatte jetzt mindestens so viel Blut an den Händen wie die Nazis, gegen die wir hier in der Welt von Mu Ooria kämpften. Doch das stärkste Gefühl, das ich empfand, war Befriedigung. Ich freute mich darauf, auch die anderen umzubringen.
In gewisser Weise war die Weigerung der Nazis, sich den traditionellen Humanismus zu eigen zu machen, bereits der Vorbote ihres eigenen Untergangs. Es ist eine Sache, die subtilen inneren Strukturen einer zivilisierten Gesellschaft zu verspotten und zu behaupten, sie wären sinnlos, aber es ist eine ganz andere, sie zu zerstören. Erst als diese Strukturen verschwunden waren, wurde uns bewusst, wie sehr unsere Sicherheit, unsere geistige Gesundheit und unser Wohlbefinden als Bürger von ihnen abgehangen hatten. Diese Lektion des Faschismus steht bis in moderne Zeiten immer und immer wieder auf dem Lehrplan.
Als wir mit spuckenden Fackeln den Tunnel verließen, sahen wir vor uns einen Panther, den Elrics Zauberei wiedererweckt hatte. Das Tier drehte den Kopf mit den hellen, wissenden Augen in unsere Richtung. Es führte uns durch die Höhlen und suchte, wie ich sicher wusste, meinen Vetter Gaynor.
Hatte Oona sich in den Panther verwandelt? Oder wurde das Tier geistig von der Tochter meines Doppelgängers kontrolliert? Wir wunderten uns, konnten aber nichts weiter tun außer dem Tier zu vertrauen, das vor uns durch die Höhlen tappte und sich gelegentlich umschaute, ob wir ihm noch folgten.
Halb und halb rechnete ich mit einem weiteren Hinterhalt des aufgebrachten Gaynor. Mein Vetter plante sicher schon seinen Rachefeldzug gegen uns. Doch bald erkannte ich, dass er nicht mehr imstande war, eine Armee gegen den Nebelgrund zu führen, denn seine Armee war zerschlagen.
Wie um uns diese Niederlage zu verdeutlichen, führte uns der Panther mitten durch Gaynors Lager. Die großen Katzen waren rasch ans Werk gegangen und hatten ganze Arbeit geleistet. Überall lagen zerfetzte Leichen von Troogs, den meisten waren die Kehlen herausgerissen worden. Auch die Wilden waren angegriffen worden. Ich bezweifelte, dass Gaynor noch einmal eine Armee aus ihren Reihen würde zusammenstellen können.
Hinter uns ertönte ein wildes Heulen, als trauerten Schakale um ihre Artgenossen - und dann tauchte Gaynor hinter einem großen Stalagmiten auf. Klosterheim und die übrigen Männer folgten ihm, doch sie schienen nicht sehr kampfeslustig. Gaynor schwenkte das mächtige Runenschwert aus Elfenbein über dem Kopf und griff uns mit blindem Hass an, der nur ein Ziel zu kennen schien. Ich wusste nicht, ob die Geräusche von ihm oder von seiner Klinge stammten.
Elric und ich handelten, als wären wir ein Mann.
Sofort hatten wir die Schwerter gezogen. Das Murmeln unserer Waffen schwoll zu schrillem Winseln und zu einem lauten Heulen an, das die Kampfschreie der weißen
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