Tochter Der Traumdiebe
Weise vorzuschicken. Immerhin konnte der Führer nicht sicher sein, ob es sich nicht um einen besonders raffinierten Plan handelte, seinem Leben ein Ende zu setzen.
Als Mitglieder von Rudolf Hess’ Gefolge konnten wir auf diese Weise mühelos die Waffenkammer mit der hohen Decke betreten. Der Raum war im Gegensatz zu allen anderen nicht umdekoriert wurden. Ein einziges hohes, rundes Fenster spendete Licht. Ein Wolkenstrahl durchbohrte den Staub und fiel direkt auf eine Art Altar, ein viereckiger Granitblock, in den das keltische Sonnenkreuz geschlagen war. Der Altar war erst vor kurzem hier aufgestellt worden.
Unwillkürlich machte ich ein paar Schritte zu diesem neuen Gegenstand. Wie um alles in der Welt hatten sie es geschafft, einen so großen Klotz Granit durch die schmalen Flure zu bekommen? Ich wollte ihn berühren, doch Hess hielt mich zurück. Offenbar dachte er, es drängte mich aus ganz anderen Gründen. »Noch nicht«, sagte er.
Als seine Augen sich an das schwache Licht gewöhnt hatten, sah er sich erstaunt um. »Was ist das? Was habt ihr Männer hier zu suchen, noch bevor ich die Schwelle überschritten habe? Wisst ihr nicht, wer ich bin und dass ich als Erster diesen Raum betreten sollte?«
Die Gruppe im Schatten schien nicht beeindruckt.
»Das ist Blasphemie«, sagte Hess. »Es ist unverschämt. Hier ist kein Platz für gewöhnliche Soldaten. Die Magie ist zu fein, hier braucht man gebildete Geister und vorsichtige Hände.«
Klosterheim, der eine Automatik gezogen hatte, trat grinsend ins Sonnenlicht. »Ich versichere Ihnen, dass wir in diesem Augenblick sogar äußerst vorsichtig sind. Ich werde es Ihnen gleich erklären. Aber zunächst und wenn es Ihnen nichts ausmacht, Stellvertreter des Führers, werde ich Ihnen das Leben retten…«
»Mir das Leben…«
Klosterheim zielte auf mich. »Dieses Mal werden meine Kugeln treffen«, sagte er. »Guten Tag, Graf Ulric. Ich habe geahnt, dass Sie bald hier auftauchen würden. Sie müssen wissen, dass Sie helfen, unsere Bestimmung Wirklichkeit werden zu lassen, ob Sie dies wünschen oder nicht.«
Hess wurde wütend. »Sie begehen zahlreiche Fehler, Hauptmann. Der Führer selbst ist an diesem Projekt beteiligt und wird in Kürze eintreffen. Was soll er denken, wenn ein Untergebener seinen Stellvertreter und einen seiner führenden Offiziere mit der Waffe bedroht?«
»Er wird denken, was Prinz Gaynor ihm sagt«, erwiderte Klosterheim. Es schien ihm gleich zu sein, was Hess erwiderte, er achtete kaum auf ihn. »Glauben Sie mir, Stellvertreter des Führers, wir handeln ganz gewiss im Interesse des Reichs. Seit er als Verräter bloßgestellt und sein Vermögen beschlagnahmt wurde, haben wir damit gerechnet, dass dieser Verrückte dort einen Anschlag auf das Leben des Führers verüben wird…«
»Das ist doch Unsinn«, gab ich zurück. »Sie wissen selbst, dass es eine Lüge ist.«
»Aber ist auch der Rest eine Lüge, Graf?« Seine Stimme wurde leiser, fast vertraulich. »Glauben Sie wirklich, wir hätten angenommen, Sie würden die Verfolgung einstellen? War es nicht offensichtlich, dass Sie irgendwie versuchen würden, diesen Ort hier zu erreichen? Wir mussten nur warten, damit Sie uns das Schwarze Schwert zurückbringen. Wie ich bemerke, haben Sie genau dies getan.«
Hess neigte dazu, sich streng an die Rangordnung zu halten. Das war meine einzige Hoffnung. Darauf konnte ich bauen und auf Zeit spielen. Als er mich fragend ansah, gab ich mir große Mühe, wie ein aufgebrachter Nazi-Offizier zu bellen. »Hauptmann Klosterheim, Sie schießen über das Ziel hinaus. Wir begrüßen Ihre Wachsamkeit, wenn es darum geht, den Führer zu beschützen, doch wir können Ihnen versichern, dass es in diesem Raum nichts gibt, was sein Leben gefährden könnte.«
»Ganz im Gegenteil«, stimmte Hess unsicher zu. Seine Augen, die schon in entspannten Situationen alles andere als ruhig waren, zuckten unstet zwischen Klosterheim und mir hin und her. Er war von Klosterheims handverlesenen SS-Leuten sichtlich beeindruckt. »Doch vielleicht sollten wir angesichts der Umstände alle nach draußen gehen und die verworrene Situation klären.«
»Sehr gut«, sagte Klosterheim. »Wenn Sie bitte vorausgehen, Graf von Bek …« Er winkte mit seiner Werther PPK.
»Von Bek?« Hess erschrak. Er sah mich scharf an und dachte nach.
Mir blieb keine Zeit mehr. Ich zog den schützenden Stoff von meinem Schwert. Rabenbrand war das Einzige, was mich jetzt noch retten
Weitere Kostenlose Bücher