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Tochter Der Traumdiebe

Tochter Der Traumdiebe

Titel: Tochter Der Traumdiebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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ich ihn.
    »Wie Sie zweifellos wissen, war er ein Amateurwissenschaftler. Einer dieser antiquierten Gelehrten. Er wusste um die Treuhandschaft der Familie, den Gral zu bewachen, bis wir, seine wahren Erben, ihn für uns beanspruchen würden. Aber er war neugierig. Er wollte die Eigenschaften des Grals untersuchen. Dazu musste er zunächst die Gesetze der Magie beherrschen lernen. Geister beschwören. Seine Studien brachten ihn um den Verstand, doch er fuhr fort, den Gral zu untersuchen, und dabei beschwor er einen gewissen abtrünnigen Hauptmann der Hölle…«
    »Klosterheim?«
    »Genau den. Dieser wiederum nahm die Hilfe eines weiteren Abtrünnigen in Anspruch, einen aus der Gefolgschaft der Ordnung. Die unsterbliche, äußerst instabile Miggea. Die Herzogin der Höheren Welten.« Hess grinste. Er wusste Bescheid. Er war stolz auf all seine Geheimnisse. Er platzte förmlich vor Eingeweihtsein. »Alf - unser Führer - hat mir aufgetragen, Gaynor zu finden, der bereits eingeweiht war, und ihm anzubieten, unsere und seine Kräfte zusammenzutun. Gaynor willigte ein und brachte, wenngleich später als versprochen, das Kraftobjekt nach Bek zurück. Mit ihm in unserem Besitz werden wir siegen. Der Krieg gegen England ist schon so gut wie gewonnen.«
    Obwohl ich die Realitäten, von denen er nur gehört hatte, unmittelbar erlebt hatte, fiel es mir schwer, ihm zu folgen. Er war anstrengend, wie es Wahnsinnige häufig sind. Deshalb war ich sehr erleichtert, als der Wagen in die letzte Kurve einbog und sich den Toren von Bek näherte. Da der Stellvertreter des Führers bei uns war, wurden nicht einmal unsere Papiere kontrolliert. Jetzt musste ich nur noch hoffen, dass Gaynor mich nicht erkannte. Meine Haare waren unter einem Uniformkäppi verborgen und ich trug eine dunkle Brille, eine eigenwillige Ergänzung der Uniform, um meinen Albinismus zu verbergen.
    Während ich entspannt mit Hess plauderte, nahm ich die Hülle mit dem Schwert aus dem Wagen. »Für die Zeremonie«, erklärte ich ihm. Hess war die beste Deckung, die ich mir nur wünschen konnte - und ich beschloss, so lange wie möglich in seiner Nähe zu bleiben. Doch als ich durch mein altes Heim schritt, fiel es mir schwer, über das, was sie ihm angetan hatten, nicht laut zu aufzuschreien.
    Es wäre mir lieber gewesen, Gaynor hätte es, wie angedroht, dem Erdboden gleich gemacht. Das Haus war gründlich verwüstet und umdekoriert worden, bis es dem Geschmack der Nazis entsprach. Überall Pomp und Glitzerzeug, golden befranste Flaggen, Wandteppiche mit altdeutschen und Tafeln mit nordischen Motiven, wuchtige Spiegel, neues Buntglas in alten Spitzbogenfenstern. Ein Porträt zeigte Hitler in Gestalt eines edlen Ritters und Göring als männliche Walküre, vielleicht eine Art Rheingold-Putte. Überall Hakenkreuze. Es war, als sei Walt Disney, der die faschistische Disziplin so sehr bewunderte und ganz eigene Vorstellungen von einem idealen Staat hatte, von den neuen Herren in Bek als Innenarchitekt angeworben worden. Die Vorliebe der Hitler-Bande für grelles Zubehör, wie man es sonst nur auf Operettenbühnen findet, war unübersehbar. In mancher Hinsicht war Hitler wirklich ein typischer Österreicher.
    Darüber verlor ich natürlich kein Wort zu Hess, der vom Haus recht beeindruckt schien und sich in seinem Glanz sonnte, als die SS-Offiziere ihm mit knallenden Hacken den Nazigruß entboten. Glücklicherweise stand ich in Hess’ Schatten und Oona wiederum in meinem und so konnten wir wie von einem Zauber beschützt durch die feindlichen Reihen schleichen, während der Stellvertreter des Führers mit Hingabe über König Arthur, Parzival, Karl den Großen und all die anderen sagenhaften deutschen Helden sprach, die Zauberschwerter besessen hatten.
    Als wir tief im ältesten Burgfried der Anlage die Waffenkammer erreichten, wünschte ich, Hess würde wieder auf sein altes Thema, auf den nordischen Vegetarismus, zurückkommen. Ich fürchtete sehr, ich könnte jeden Augenblick entdeckt und getötet werden.
    Der Stellvertreter des Führers bat mich, seine Essenspakete zu halten, während er einen großen Schlüssel aus der Jackentasche zog. »Der Führer überließ mir die ehrenvolle Aufgabe, diesen Schlüssel zu behüten«, erklärte er. »Es ist mein Privileg, als Erster eintreten und ihn begrüßen zu dürfen, wenn er kommt.«
    Er steckte den Schlüssel ins Schloss und drehte ihn unter Schwierigkeiten herum. Ich hielt es für klug von Hitler, seinen Freund auf diese

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