Tochter Der Traumdiebe
Aberglauben der alten Welt nahmen. Wo ihr Einfluss sich bemerkbar machte, wurden die Menschen robust, männlich, vital, produktiv. Das lateinische Christentum hätte sie nur verweichlicht.
Es sei der deutschen Nation bestimmt, erzählte er mir, die Brüder wieder zum Ruhm zu führen, die Welt von all den Minderwertigen zu befreien und eine Rasse von Übermenschen zu züchten - kerngesunde, äußerst intelligente, kräftige und gebildete Menschen. Eine Nachkommenschaft, die mit dem Besten und nicht dem Schlechtesten, das die Menschheit zu bieten hatte, die ganze Welt bevölkern sollte.
Je länger ich Hess zuhörte, desto skeptischer wurde ich und desto mehr wuchs meine Überzeugung, dass er ein vertrottelter Irrer war, der dumpfen Träumen nachhing und völlig außerstande war, irgendeine Wahrheit außer der zu ertragen, die er selbst erfunden hatte.
Doch da der Mann so liebenswürdig war und mir so vollständig vertraute, war dies eine gute Gelegenheit herauszufinden, was er über meinen Vater wusste. Ob er jemals dem alten Graf von Bek begegnet sei, wollte ich wissen? Derjenige, der verrückt geworden und sich ein Feuer gelegt hätte? Dabei habe er sich doch selbst umgebracht, oder?
»Ob er sich absichtlich selbst getötet hat? Mag sein.« Hess schauderte. »Selbstmord ist ein schreckliches Verbrechen. Ein Verrat an uns allen. Es steht meiner Ansicht nach auf der gleichen Stufe wie die Abtreibung. Man muss das ganze Leben achten.«
Ich wusste inzwischen, wie man den Mann bei dem Thema halten konnte, auf das es einem ankam. »Und Graf von Bek?«
»Er hat ja den Gral verloren, müssen Sie wissen. Der Gral wurde ihm anvertraut. Vom Vater zum Kind, ob Sohn oder Tochter, über die Jahrhunderte. ›So tu des Teufels Werk‹, lautet ihr alter Wahlspruch. Sie waren bei den Kreuzzügen dabei. Das älteste Blut in Deutschland … aber verseucht durch Dekadenz, Irrsinn, welsches Blut… Die Legende besagt, dass die von Bek seit jeher den Gral zu beschützen hatten. Bis zu dem Tag, an dem Satan sich mit Gott aussöhnt. Ich weiß, das ist nicht mehr als christlicher Unsinn und eine Verzerrung unserer alten, stärkeren nordischen Sagen. Diese Sagen haben uns zu so erfolgreichen Eroberern gemacht. Es war schon immer unsere Bestimmung zu erobern. Der ganzen Welt die Ordnung zu bringen. Diese Sagen haben heute noch Kraft.« Jetzt sah er mich scharf an, die Augen schienen sich in mich hineinzubrennen. »Die Macht der Sagen ist die Macht über Leben und Tod, wie wir sie kennen, denn wir haben die Kraft der nordischen Sagen wiedererweckt. Und wieder sind wir erfolgreiche Eroberer. Wir werden die andere nordische Rasse, unsere natürlichen Verbündeten, die Briten, herausfordern, bis sie sich mit uns gegen den bösen Osten wenden und die Tyrannei des Kommunismus zerschlagen. Zusammen werden wir dem ganzen Erdball die Segnungen der Zivilisation bringen.«
Dies ist ein typisches Beispiel für den pseudophilosophischen Unsinn, den er mir erzählte. Damit wurde klar, warum die Nazi-Führer in ihrem Irrsinn so großen Wert auf den Gral und das Schwert legten. Diese Objekte verkörperten für sie eine mystische Autorität. Nur wenn sie diese Objekte in ihrem Besitz wussten, konnten sie sicher sein, die ersehnten historischen Siege errungen zu haben. Ein Triumph über das bewunderte britische Empire wäre eine Art göttliche Offenbarung. Wenn sie erst einen Waffenstillstand erreicht hatten, dann würden sie zusammen die Reinheit des Blutes wiederherstellen und den Sagen in der Ordnung der Dinge den ihnen gebührenden Platz einräumen.
»Wir müssen nur noch Englands Luftwaffe zerstören, dann werden sie um einen Waffenstillstand bitten.«
»Ich bin beeindruckt von Ihrer Logik.«
»Nein, das hat überhaupt nichts mit Logik zu tun, Herr Standartenführer. Logik und die so genannte Aufklärung sind jüdisch-christliche Erfindungen, die jedem rechtschaffenen Arier zuwider sein müssen. Die Parteigenossen, die sich noch an ihren christlichen Glauben klammern, arbeiten in Wirklichkeit für die jüdisch-bolschewistische Verschwörung. Die Briten verstehen das so gut wie wir. Sogar die Besten unter den Amerikanern sind insgeheim auf unserer Seite …«
Ich glaube, in meinem ganzen Leben habe ich nur ein einziges Mal echte Tapferkeit und echte Selbstdisziplin gezeigt: Als ich mich davon zurückhielt, den berühmten Stellvertreter des Führers einfach aus dem Wagen zu werfen.
»Wie hat der alte von Bek eigentlich den Gral verloren?«, fragte
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